{ Leseprobe 121 }

Literatur von Martin Ganter

Aus dem Werk "Das Leben ein Traum"

Es ist die Zeit der Sommersonnwende. Im Dorf sind die letzten Lichter erloschen. Den Himmel halten Wolkenschollen bedeckt, hinter denen ein Vollmond einherwandelt. Bis auf das kranke Mädchen liegt alles im Schlaf. Es wohnt am Westrand des Dorfs, von wo aus es nicht mehr weit ist zum Schloss. Nur noch eine Allee ist von dort aus zu durchmessen, schnurgerade, mit alten Platanen bestückt, wo der alte Fürst wohnt. Schon über viele Jahre ist das Mädchen krank, unheilbar krank. Der Mutter, die sie aufopferungsvoll pflegt, hat sie es zu verdanken, dass sie noch am Leben ist. Aus dem Haus wird das kranke Mädchen ihren Fuß nie mehr setzen. Dafür aber hat sie einen siebten Sinn, der sie unablässig beschäftigt. Über vieles bekommt sie Nachricht, über vieles weiß sie Bescheid, was keiner sonst weiß, lange noch, ehe es als etwas Bekanntes in der Welt die Runde macht.