{ Leseprobe 132 }

Literatur von Martin Ganter

Aus dem Werk "Vertreibung aus dem Paradies"

Brunhilde: Aber das ist doch Unfug. Sie ist doch noch gar nicht tot.

Kriemhild: In der Tat! Sonst würde sie ja tun, was wir von ihr wünschen. Willenlos würde sie es tun. Indem sie aber ihren eigenen Willen zeigt, beweist sie, dass sie noch am Leben ist. O Elli, wer kann sicher sein, tot zu sein? Vielleicht dünkt es dir gut, zu unterschreiben, um aller Welt zu zeigen, dass du noch nicht tot bist? Ja, das wäre es doch!

Brunhilde: Und das soll es ja auch häufiger geben, als man glaubt: Leute, die sich zwar nicht mehr regen können, so dass sie wie ein Toter daliegen, die aber dennoch zu den Lebenden zu rechnen sind.

Kriemhild: Liebe Elli, wenn du das wünschest!? Dann sollst du an uns deine dreifache Freude haben. Dann werden wir allen Leuten verkünden, dass du eben unterschrieben hast und dass sich mithin alle Totentänze und sonstigen Allfanzereien erübrigen. Da hätte sich dann dein Bruder Erhard umsonst die Mühe gegeben! Indem er dich in einem eiskalten Totensarg über eine Woche hat drin liegen lassen, wähnte er sich ganz sicher, dich endgültig in den Tod zu befördern. Aber er hat sich getäuscht, der Mörder. Nicht wahr, er hat sich getäuscht. Mochte er auch auf der Woge der Sicherheit reiten, so brauchst du dich jetzt nur zu fragen, ob du tot bist, um sicher zu sein, dass du lebst. Drum sei kein Frosch und unterschreibe! Wenn du unterschreibst, dann lassen wir dich anstandslos entscheiden, wie immer du es wünschst: ob du ins Familiengrab hinabsteigen willst oder lieber wieder nach Haus in deine Wohnung. Hier, siehst du, hier musst du unterschreiben!

Elli: Geht und lasst mich! Ich bin tot!