{ Madames (ein Komödchen mit etwas Gesang) }

Literatur von Martin Ganter

 

 

 

 

 

Wenn uns noch etwas belebt, so ist es ein heiteres Komödchen!

 

Personen

Nil Santi, Madame

Damen des Hauses: Miss Krapschki, Fratzki, Schatzki, Schmatzki, Tatzki; (sie können von jungen Männern in Frauenkleidung gespielt werden.)

Saaldienerin

Mrs. Redhood (eine Parteivorsitzende)

Oberbürgermeister Garlic

Drei Frauen vom Land

Thatchel (Interimsregentin)

Grabbatsch (Staatsmann a.D.)

Polizeipräsident Catwang

Mister Murdoch (Unternehmer, Medienzar und Schatzmeister Europas)

Miss Brooks (Murdochs rechte Hand)

Der Präsident der USA

Jaqueline, Präsidentengattin

Marylin Monroe

Stalin

Ai Ai Dsun, Staatsmann und Parteifunktionär aus China

Onassis

Anastasia, Onassis Frau

Papst

Mister und Mrs. Habermann

Festredner

 

Inhalt

1. Akt: Wie der Oberbürgermeister Garlic Frau Redhood an Land bringt

2. Akt: Wie die Redhood Frauen begegnet und Informationen einsammelt

1. Szene: (Redhood noch allein)

2. Szene: Begegnung mit den drei Frauen

3. Akt: Wie die Redhood beim Hotel Europa anlangt

1. Szene: (Redhood wieder allein)

2. Szene: Drei Männer

3. Szene: Brooks auf dem Dach

4. Szene: Redhood sieht Grabbatsch

4. Akt: Wie die Thatchel hinzukommt

1. Szene: Redhood trifft Thatchel

2. Szene: Grabbatschs Stimme

5. Akt: Nil Santi stellt sich vor

1. Szene: Die Santi allein

2. Szene: Murdoch mit Assistentin

3. Szene: Santi und Murdoch

4. Szene: Krapschki macht Meldung über die Damen

6. Akt: Wie Nil Santi die beiden Damen aufklärt und dann zum Verschwinden bringt

1. Szene: Redhood und Thatchel

2. Szene: Redhood und Thatchel treffen auf Santi

3. Szene: Brooks

7. Akt: Wie Nil Santi sich mit Murdoch im Park ergeht und dann zu ihren Damen eilt

1. Szene: Murdoch unterwegs im Park, der das Haus umgibt

2. Szene: In der Ankleide

3. Szene: Spiel im Spiel

4. Szene: Santi kommt dazu

8. Akt: Das große Fest

1. Szene: Im Festsaal

2. Szene: Beginn des Festes

3. Szene: Der Große und die Ehe

4. Szene: Monroe singt

5. Szene: Beim Sekt

6. Szene: Die Schwiegereltern

7. Szene: Festredner ohne Publikum

8. Szene: Aufräumen

9. Akt: Wie Redhood und Thatchel noch immer nach einen Aufstieg aus der Unterwelt suchen.

10. Akt: Wie der Polizeipräsident Catwang kommt; wie er empfangen wird, auf Santi trifft und dann auf die beiden Damen Redhood und Thatchel.

1. Szene: Polizeipräsident Catwang kommt zur Villa

2. Szene: Catwang mit zwei Damen

3. Szene: Suche nach Grabbatsch

4. Szene: Zu Hilfe

11. Akt: Wie Nil Santi die Anwesenden zu Grabbatsch führt, der dann verschwindet.

1. Szene: Vor dem Nirvana

2. Szene: Erziehung zum Helden

3. Szene: Ablehnung

12. Akt: Der Verkauf

 

1. Akt: Wie der Oberbürgermeister Garlic Frau Redhood an Land bringt

(Beide im Boot auf dem Bodensee.)

Garlic: "Die Welle wieget unseren Kahn im Rudertakt hinauf! Und Berge, wolkig himmelan, begegnen unserm Lauf." Empfinden Sie das nicht auch so wie einst unser jugendfroher Dichterfürst?

Redhood: Das kann schon sein; Mister Garlic.

Garlic: Oder wollen Sie ans Ruder, Mrs. Redhood?

Redhood: Jetzt noch nicht.

Garlic: Aber Sie empfinden doch auch etwas!

Redhood: Was denn?

Garlic: Die uns umgebende Fülle der Natur.

Redhood: Ich bin dabei, die Staatsform aufzuspüren, die uns diese Fülle auch noch morgen und übermorgen garantiert und hoffe, dann das Glück zu haben, möglichst bald schon die Geschicke der Welt maßgebend mitzubestimmen.

Garlic: Das werden Sie schaffen, Mrs. Redhood, sobald wir an der Macht sind. Und wenn ich recht sehe, dauert das nicht mehr lange. Die Jugend steht hinter uns. Alles, was jung ist und lebenshungrig, alles was gespannt ist auf das Leben und ihm entgegen harrt, was sich wohlfühlt in einer grenzenlos grünen und blühenden Landschaft: das alles gehört zu uns. Zumal hier am See in der Pracht des Frühlings wird das ganz augenfällig. Das üppige Grün, das selbst aus der Tiefe des Wassers heraufkommt. Und fast ist, als wollte sich auch noch der Himmel grün färben. Aber er wird es schon noch tun. Wenn wir erst die Hinterlassenschaften unserer Vorgänger aufgearbeitet haben, wird der Himmel als Himmelswiese erscheinen. Wirklich, mehr bedarf es nicht, als dass man sich der herrlichen Stimmung hier auf dem See überlässt! Sehen Sie doch nur! Hier liegt unser wunderschönes Konstanz am Ausfluss des Rheins und zugleich am Eingang zur Schweiz, zu Füßen der Alpen. Ja, hier hat die Natur ihr Füllhorn ausgeschüttet.

Redhood: Und hier nebenan?

Garlic: Das ist der kleine Ort Zitzelstetten. Da wohnten bislang noch etwas zu viele von den Gestrigen. Aber das wird sich jetzt ändern. Ich werde den Ort nämlich demnächst eingemeinden. Und das ist gut so. Denn dann endlich haben auch die Leute hier Teil an der wundervollen, grenzenlosen, weiten Welt. Und sie werden es mir danken, dass ich sie zu ihrem Glück gekapert habe. Denn Schönes und Grünes gehört ja doch zusammen.

Redhood: Und dort, das Haus?

Garlic: Welches Haus?

Redhood: Das Haus dort, oberhalb der Kirche, mit dem großen Garten.

Garlic: Ach dieses Haus! Hotel Europa nennt es sich. Es steht gerade auf dem Grenzgebiet, das noch zu Konstanz gehört. Es gehört zu den Hinterlassenschaften unserer Vorgänger. Übrigens sollen schon zur Zeit des Konstanzer Konzils einige von den Konzilsvätern auf abendlichen Spaziergängen hier heraus gekommen und eingekehrt sein. Zitzeljäger nannte man sie spöttisch. Doch das hat nun bald ein Ende.

Redhood: So haben Sie sich schon entsprechende Schritte überlegt?

Garlic: Sobald die Eingemeindung unter Dach und Fach ist, ziehen wir vor Gericht. Doch genug davon! Werfen wir lieber noch einen Blick auf die herrliche Mainau. Oder ist sie nicht herrlich? Das reinste Blumenmeer rund um die herrlich gepflegten englischen Rasen. Wenn nur nicht so schrecklich viele Touristen drüber liefen. Aber jeder will halt mal da gewesen sein. Überhaupt, Sie entschuldigen doch, ich kann nicht anders. Wenn ich die Insel sehe, muss ich an den Kräutergarten denken, den sie dort haben; und dann fällt mir mein Lieblingsgericht ein. Ich esse nämlich fürs Leben gern frische Pellkartöffelchen mit etwas Butter und Salz und einem guten Brie; ein frischer grüner Salat darf dabei natürlich nicht fehlen; angemacht aber muss der Salat sein mit Majoran und Petersilien und Schnittlauch und Boretsch, alles frisch gepflückt vom Garten. Ah wie köstlich das doch ist! Über so ein Pellkartöffelchen geht doch wirklich nichts. Ganz heiß muss es natürlich auf den Tisch kommen. Übrigens, da hab ich erst neulich ein neues Rezept ausfindig gemacht. Wenn Sie nämlich zu der Kartoffel weiße Milch trinken und dann darauf ein Stückchen Brie mit Butter bestrichen zu sich nehmen, dann haben Sie so recht die Basis geschaffen für einen Schluck eines guten Spaniers. Sagen wir eines Cepunto oder eines Pasion: alles uralte, im Eichenfass mindestens drei Monate lang gelagerte Rebsorten.

Redhood: Ich mach mir nicht viel aus teuren Weinen. Mögen ihn die reichen Leute trinken.

Garlic: Die Veredelung eines kernig echten und unverfälschten Landweins durch ein gutes Gespräch ist aller Ehren wert. Es gibt da aber durchaus auch die Möglichkeit, zu einem guten Schluck ein gutes Wort hinzuzufügen. Immerhin gehört der Wein zu den ältesten Kulturgütern. Natur und Mensch haben da Hand in Hand gearbeitet.

Redhood: Wein, Weib und Gesang. Ganz nach dem Geschmack der Männer, Mister Garlic.

Garlic: Manches lässt sich von verschiedenen Seiten aus betrachten, Mrs. Redhood.

Redhood: Ich habe immer den bösen Verdacht, dass viel zu viele der bedeutendsten Kulturgüter mit zu viel Blut bezahlt worden sind.

Garlic: Klar. Wer mag das schon? Aber das ist jetzt wohl nicht ganz das richtige Thema.

Redhood: Beim Bier haben wir übrigens auch Natur: Hopfen und Gerste und Malz. Und das ist für jedermann erschwinglich.

Garlic: Immerhin. Sollten Sie einen Rundgang über die Insel Mainau begehren? Das kann ich durchaus arrangieren. Man ist mir verpflichtet und freut sich über eine kleine Aufmerksamkeit.

Redhood: Ein ander Mal vielleicht.

Paddler (der vorbeikommt und zugehört hat): Das ist eine schöne Insel nicht wahr.

Garlic: Das kann man wohl sagen. Aber auch unsere Stadt Konstanz hat wundervolle Plätze zu bieten mit Prachtbäumen und Blumenkissen.

Paddler: Wo die Grünen hingeschissen,

blühen bunte Blumenkissen

Garlic: O ja mein Herr, ganz Recht

Paddler: Aber zum Glück brauchen wir keine Politiker mehr, inclusive Politikerinnen. Die meinen alle, sie seien nur noch zum Geld ausgeben da, und das Geld komme alleine zur Haustüre hereinspaziert, und der Euro mache alles, und von dem hätten sie Säcke haufenweis.

Garlic: Warten wir es ab.

Paddler: Sagen Sie es mir doch lieber, wie ich das machen soll, dass ich zu so viel Geld komme, dass ich halbwegs davon leben kann. Oder wenn Sie schon der Wirtschaft keine Impulse zu geben vermögen: glauben Sie denn, euer Gott in seiner grünen Badehose lässt Geld regnen, wenn Ihr an der Macht seid? Wenn wir aber auf euren frisch gegüllten Ökowiesen bankrott sitzen, dann fresst ihr die Schüsseln alleine aus. Dann werden wir Schweizer, wie wir es schon einmal wollten nach dem Krieg. Jawohl, dann paddeln wir ans andere Ufer. (ab)

Garlic: Entschuldigen, gnädige Frau. Das war ganz gewiss kein Kosmopolit, sondern eine Ausnahme.

Redhood: Auch auf die Ausnahmen müssen wir achten.

Garlic: Zweifellos. - Jetzt steht übrigens die Sonne sehr günstig. Schalten wir einmal unseren Kollektor an! - Allensbach ist übrigens auch hier in der Nähe. Wenn die Ergebnisse über die neuesten Umfragen betreffs der nächsten Wahlen heraus sind, schicke ich sie Ihnen zu. Seit der Katastrophe in Japan lässt sich unser Höhenflug nicht mehr bremsen. Des einen Freud, des andern Leid. - Seien Sie versichert, dass ich alles tun werde, was in unserem Sinn liegt. Denn die Zeit ist reif.

Redhood: Darf ich Sie kurz unterbrechen. Ihr Sonnenkollektor in Ehren. Aber das geht mir doch etwas zu langsam. Könnten Sie nicht so freundlich sein, wieder auf Handarbeit umzuschalten?

Garlic: Gewiss.

Redhood: Im Übrigen ist Allensbach für uns nicht so wichtig. Will man nämlich gute Wahlergebnisse haben, so muss man nicht nur wissen, wie die Wahlen ausgehen, da muss man auch wissen, wie man sie manipulieren kann, damit sie so ausgehen, wie man es sich wünscht. Dabei sage ich um des Himmels willen nichts Verwerfliches. Ich meine da keine unfaire Art der Manipulation, wie wir immer wieder von machtbesessenen Tyrannen hören. Ich meine damit nur, dass wir Leute brauchen, die uns und unsere Arbeit den Massen gegenüber ins rechte Licht rücken. Verstehen Sie, was ich meine?

Garlic: Aber sicher. (ans Land rudernd) Laut sollten wir allerdings von diesen Dingen nicht reden. Man kann ja nie wissen, ob einer einem zuhört.

Redhood: Sehen Sie jemanden?

Garlic: O, eine Wanze genügt da schon. Am Bootsbauch festgemacht, leicht unter dem Wasser, schillernd und scheu wie das Auge einer Wassernixe.

Redhood: Seien wir zufrieden, wenn uns nur keine Wanze im Gehirn festgemacht ist. Sonst wär es wohl auch noch aus mit der Freiheit der Gedanken.

Garlic: Sie meinen, ein Mediziner könnte sonst ?

Redhood: Ich meine gar nichts; schon allein der Wanzen am Bootsbauch wegen.

Garlic: Doch ich darf mich nun verabschieden. Meine Frau ist nicht erfreut, wenn ich zu spät zum Mittagessen komme. Und da Sie ja leider nicht mitzukommen belieben

Redhood: Da ich nicht mitkommen kann.

Garlic: so gehe ich eben jetzt allein nach Hause. Leben Sie wohl, Mrs. Redhood! Es war mir ein Vergnügen.

Redhood: Leben Sie wohl, Mister Garlic!

2. Akt: Wie die Redhood Frauen begegnet und Informationen einsammelt

1. Szene: (Redhood noch allein)

Redhood: Nun aber heißt es hübsch aufgepasst und achtgegeben. Gehst du insgeheim in großer Mission, so müssen auch dein Gang und dein Benehmen und die Art deines Auftritts etwas total Unauffälliges an sich haben. Drum will ich so hinschlendern, als wär ich eine Frau vom Ort und mir wäre ein junges Kalb aus dem Stall entwischt. Und selbst wenn mich einer kennt und den Kopf über mich schüttelt, selbst daraus lässt sich etwas machen. Und die Hauptsache ist ja allemal, es gelingt mir, Punkte zu sammeln für mein Weiterkommen. Bis jetzt hab ich noch alles richtig gemacht und habe die Regeln der Diplomatie wohlbeachtet. Ich durfte dem Garlic nichts davon sagen, was mich hergetrieben hat, wo ich ja selber noch nicht weiß, ob das stimmt, was man mir zugesteckt hat oder ob man mich nur auf eine falsche Fährte hat locken wollen. Zumal, da sich die Berichterstatter oder Denunzianten nicht mit ihrem Namen genannt haben, gilt es noch immer, höchste Vorsicht walten zu lassen. Das wär doch ein gefundenes Fressen für meine Gegner, mich erst mal in die Falle zu locken, um mich dann wie einen kleinen Bauern vom Schachbrett zu nehmen. Andererseits aber wäre es ein Riesenerfolg, wenn es mir gelingen sollte, den werten Herrn, von dem da die Rede war, in diesem Etablissement zu stellen. Möglich wäre freilich auch, dass ich ihm helfe und ihn befreie. Beides wäre wie ein Bauer, dem es gelingt, sich in eine Königin zu verwandeln. Entweder also denunzieren oder befreien! Tertium non datur. Solange die Dinge aber noch im Fluss sind, gilt es Schweigen zu bewahren. Doch still. Dort kommen drei Frauen vorbeigeritten.

2. Szene: Begegnung mit den drei Frauen

(Drei Frauen begegnen ihr, die auf Maultieren reiten und zur Kirche unterwegs sind. )

Redhood: Meine Damen, können Sie mir sagen, wem das Anwesen da droben gehört und ob es zum Verkauf aussteht? Ich finde nämlich die Gegend hier wunderschön und möchte ein Haus kaufen.

Erste Frau: Die Gegend hier mag wunderschön sein, aber das Haus da droben nicht.

Redhood: Das Hotel Europa? Warum nicht? Es sieht vielleicht nicht ganz so gepflegt aus, wie man es von einem fürstlichen Landsitz erwartet. Doch das stört mich nicht. Immerhin liegt es herrlich im Freien.

Erste Frau: Nicht alles, was herrlich zu sein scheint, hat auch den Segen Gottes

Redhood: Aber so dicht benachbart oberhalb der Kirche.

Zweite Frau: Auch vom Teufel heißt es, dass er sich stets ganz dicht beim lieben Gott aufhält.

Redhood: Das gibt einem allerdings zu denken.

Dritte Frau: Haben Sie eine Familie und suchen Sie ein Haus für sich selber zum Bewohnen?

Redhood: So ist es.

Erste Frau: Dann wär´s wohl schön, wenn Sie das bekämen. Dann könnte ein neuer Geist ins Haus einziehen. Doch dann müssten sie es von Grund aus abreißen.

Redhood: Was wissen wir vom Geist, der darin herrscht?

Erste Frau: So viel ist sicher, dass dieser Geist kein heiliger Geist ist.

Dritte Frau: Aber das glaub ich nicht.

Redhood: Was glauben Sie nicht?

Dritte Frau: Dass Sie das Haus kriegen. Da haben zu viele Leute ihre Finger mit im Spiel.

Redhood: Dann sagen Sie mir doch bitte, was es mit dem Haus auf sich hat!

Dritte Frau: Darüber dürfen wir nichts sagen.

Redhood: Wer hat Ihnen etwas zu verbieten? Etwa die Ehemänner? Sollte es hier in der Gegend noch Ehemänner geben? Und gar Ehemänner, die ihren Frauen etwas verbieten?

Dritte Frau: Reden wir nicht darüber.

Redhood: Selbstverständlich. Eine Frau, die ihrem Mann untertan ist und gelernt hat, auf seine Stimme zu hören, streitet sich auch nicht mit ihm. Oder ist es nicht so? Es gibt gewiss viele Frauen, die noch in einer Art Hörigkeit und Leibeigenschaft unter ihren Männern dahinvegetieren wie schon unsere Mütter und Urgroßmütter, und die dennoch zu ihren Ehemännern halten, ja sie sogar in leibseelischer Hinsicht so gut verstehen, dass sie sie für die Tollsten und Besten halten und kein Stäubchen auf sie kommen lassen.

Zweite Frau: Dabei hat sich der Pfarrgemeinderat, der ausschließlich aus uns Frauen besteht, bereits ein paar Mal heftig ins Zeug gelegt. Umsonst. Und auch über den Herrn Pfarrer sind wir nicht weitergekommen.

Redhood: Da kann ich Ihnen nur eines sagen. Unterstützen Sie meine Politik, dann verschwindet dieses Haus in allernächster Zukunft.

Erste Frau: Wenn Sie das schaffen?!

Redhood: Und warum nicht? Da schaffen wir noch ganz andere Sachen. Kühn sind meine Pläne und nicht eher höre ich auf, als bis ich den Namen Natur wieder leuchten sehe im Himmel und auf Erden.

Erste Frau: Das hört sich nicht zimperlich an.

Redhood: Ja kennen Sie mich etwa nicht? Mrs. Redhood ist mein Name.

Die Frauen: Mrs. Redhood!

Redhood: Wenn Sie mir dabei helfen.

Erste Frau: Immerhin sollen da droben ungeheuer reiche Leute die Hand mit im Spiel haben. Und ohne Geld verliert selbst der Teufel sein Spiel.

Redhood: Das wollen wir sehen.

Dritte Frau: O haben Sie eine Ahnung. So leicht geht das nicht.

Zweite Frau: Allerdings.

Erste Frau: Das ist unmöglich.

Redhood: Und warum ist das unmöglich?

Zweite Frau: Wenn wir nicht tun, was unsere Männer sagen, dann ist es aus mit dem Burgfrieden.

Redhood: Überzeugen Sie sie!

Erste Frau: Männer überzeugen, wenn sie sich mal eine Meinung gemacht haben? Das ist die allersicherste Unmöglichkeit aller Unmöglichkeiten.

Redhood: Immerhin haben wir geheime Wahlen.

Dritte Frau: Das kriegen wir nicht fertig.

Redhood: Die Ärmsten haben nie den Umgang mit dem eigenen Gewissen geübt; haben sich immer vorschreiben lassen, was zu tun ist: zuerst vom Herrn Papa, dann vom Herrn Pfarrer und zum krönenden Beschluss vom eigenen Eheherrn!

Wenn einer groß und stark und mächtig ist, bin ichs!

Wenn einer plant und lenkt und was zu sagen hat, bin ichs!

Oder glänzt nicht, seht doch nur her,

strahlend wie Gold mein lichtblond feines Haar

über die Wiese?

(sie eilt auf die Villa zu)

Erste Frau: Was für eine Erscheinung!

Zweite Frau: Wie sie über die Wiese fliegt, kaum dass ihr die Haare nachkommen!

Dritte Frau: Ja, kräftig und mächtig wie die Göttin Athene kommt sie daher!

Alle drei: Was für eine siegreiche Gestalt!

Redhood: (zurückrufend): Grün sind die Zeichen der Hoffnung und des Siegs.

Erste Frau: Und doch wird auch sie nicht schlecht staunen, wenn erst das in Gang kommt, was uns der Herr Pfarrer in aller Vertraulichkeit mitgeteilt hat.

3. Akt: Wie die Redhood beim Hotel Europa anlangt

1. Szene: (Redhood wieder allein)

Redhood: Hier wären wir also! Bei dieser so unbezwingbaren wie geheimnisvollen Villa. Interessant, interessant. Was Männer doch nur in solche Häuser lockt? Und dann heißt es auch noch Hotel Europa, als passte ein ganzer Kontinent hinein. Wenn ich ein Mann wäre, könnte mir so etwas nicht imponieren. Aber die Männer haben doch ganz offensichtlich einen anderen Geschmack. Ich las einmal in einem Essay "Über Weib, Macht und Blutbad" in einem Boulevardblatt. Daneben war ein haarsträubendes Foto zu sehen! Und immer wieder stand da das Sätzchen: Hier riecht es aber gewaltig nach Menschenfleisch. Seit ich das gelesen habe, will mir das corpus iuris nicht mehr aus dem Kopf. Ob ich will oder nicht, wo ich geh und steh, immer wieder fällt es mir ein, vor allem aber, wenn mir die Augen der Männer begegnen. Es ist da etwas wie eine hässliche Kluft, die mich angähnt. Auf der einen Seite sehe ich den in seinen Anzug aus schottischen Garnen eingewickelten serösen Ehren- und Saubermann, und auf der anderen Seite den Messermensch und Menschenfresser, der alles auf Vertilgung hin taxiert. Den Ötzi, mein fac totum, nehme ich mal aus. Er ist gleichsam die Ausnahme, die die Regel erst zur Regel macht. Immerhin hab ich mir auch sehr viel Zeit und Mühe gegeben zu seiner Kultivierung.

Ja, nicht nur für die Wiesen und für die geschundenen Wälder und Urwälder, die letzten Schlupfwinkel der Alligatoren und Fledermäuse, müssen wir Sorge tragen, auch für die inneren Landschaften. Räuber und Mörderhöhlen und überhaupt alles Blutrünstige muss endlich von der Erde verschwinden. Weg mit den Giganten und Kyklopen, diesen Menschenfressern, mögen sie auch den barbarischen Göttern noch so verwandt gewesen sein.

Doch nun soll sich zeigen, was an dem Gerücht ist, das mir zu Ohren gegangen. Warum auch sollte es unmöglich sein, dass sich der Altpräsident Grabbatsch etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt hat? Wenn es dem Esel zu wohl ist, begibt er sich auf´s Eis. Vielleicht hat auch er sich gehen lassen und jemanden vergewaltigt, wie wir immer wieder von den ranghöchsten Politikern hören? Das ist gar nicht so schwer, zumal wenn sich Weibsbilder einem Mann zur Vergewaltigung anbieten und in ihm uralte Instinkte erwecken, so dass er nimmer anders kann als zuzugreifen. Kein Monat vergeht, wo nicht so ein Skandal über die Bühne geht. Selbst die Vorzeigeleute seiner Partei kommen inzwischen alle aus gestörten oder gescheiterten Familien, dass der heilige Vater sich schon gedrängt sieht, die Sexualmoral überarbeiten zu lassen. Sollte sich nun aber genannter Herr, der sich immer noch als Vater des Vaterlands, als Vorbild für Jung und Alt darstellen und preisen lässt, etwas haben zuschulden kommen lassen, dann ist es mit seiner vaterländischen Partei vorbei. Und dann müsste ich nicht sein, die ich bin, wenn es mir nicht gelingen sollte, die Stimmen für mich zu verbuchen.

Doch nicht, dass einer meint, das sei schlechter Stil, wenn einer den andern belauert, um aus einem kleinen Fehler bereits tüchtig Kapital zu schlagen. Oder ich sei eine Heiligenfigur. Meine Moral ist kein Haar besser. Aber wir haben sie auch nicht in unseren Satzungen stehen wie jene. Im Gegenteil, Bei uns darf jeder tun, was er will, wenn er nur nicht mit den Gesetzen zusammenstößt. Wir, die wir begabt sind mit einem tüchtigen Maul und zwei rüstigen Ellenbogen, wenn wir um die Stimmen des Volkes buhlen, wir wissen, wie man es zu machen hat, um an die Macht zu kommen. Da wird alles ausgekundschaftet, was nur irgend verdächtig ist, bis auf die Farbe der Unterhose beim Doktorexamen? Wie auch sonst könnte es einem von uns gelingen, in den obersten Etagen Fuß zu fassen und auf der Kommandobrücke Frau zu stehen!

2. Szene: Drei Männer

(Hintereinander werden drei Männer sichtbar)

Redhood: Doch still, da kommt wer.

Ein Herr: (auf dem Weg in das Haus, singt)

Geh ich in mein Klösterlein,

denk ich still bei mir:

Wo kann Angeln schöner sein

als im Fisch-Revier?

 

Fisch mir aus dem bunten Teich

Fischlein saftig rot

Scharp ihm alle Schuppen ab,

Leg es mir aufs Brot

 

Und verspeis es lalalla

fein bestreut mit Salz,

wenn es mir genüsslich schmeckt

lacht mir´s aus dem Hals.

Redhood: Ja, dann guten Appetit! - Und da kommen schon zwei von der Tafel.

(Zwei Männer kommen heraus, etwas betrunken von Wein und Liebe)

Erster Herr:

Hopheisa, so sprach ich,

nun besorgt es mir gut,

auf dass sich beruhigt

mein heißes Blut

Zweiter Herr:

Da sprachen sie "Komm nur,

besorgt wird das Werk,

doch leis, bitte leise,

dass niemand was merk."

Beide:

Und kamen und packten

aus der Hose uns aus

und besorgten das Ding uns

und warfen uns raus.

(beide gehen weiter)

3. Szene: Brooks auf dem Dach

Redhood: Menschenfleisch, wohinein man die Nase steckt. Doch was ist denn das? Eine Dachdeckerin? So was hab ich noch nie gesehen.

(Sie sieht die Brooks, die wie eine Katze auf dem Dach herumklettert; sie installiert heimlich Fotoanlagen)

Redhood: Hallo, was tut denn sie da droben?

Brooks: Ist das nicht recht, wenn ich das Dach in Ordnung bringe? Oder dürfen das nur die Männer machen? Muss uns Frauen nicht auch jeder Beruf offen stehen?

Redhood: Ja gewiss. Nur dass ich mich verwundere.

Brooks: Weshalb?

Redhood: Dass es in dieses Haus hereinregnet.

Brooks: Hat dieses Haus vor anderen Häusern etwas voraus außer seinem kolossalen Alter?

Redhood: Auch die Berufskleidung springt ins Auge. Aber man gewöhnt sich an alles.

(die Brooks verschwindet wieder)

4. Szene: Redhood sieht Grabbatsch

(Redhood steht dicht beim Haus, sie schaut in einen Raum und sieht den Grabbatsch)

Grabbatschs Stimme: Was habt ihr vor? Was macht ihr mit mir? Warum demütigt ihr mich? Was hab ich verbrochen?

Fratzkis Stimme: Der Esel einer Dame zu sein ist tausendmal besser als der Präsident von Dummköpfen.

Grabbatschs Stimme: Lasst mich!

Fratzkis Stimme: Reiß dich zusammen, Grabbatsch. Jetzt hast du noch eine letzte Chance, ein großer Held zu sein.

Grabbatschs Stimme: Ich will aber kein großer Held sein.

Fratzkis Stimme: Dann muss dich Miss Tatzki bestrafen, weil du dich schlecht benommen hast. Miss Tatzki. Kommen Sie! Walten Sie ihres Amtes! Eine Tatze auf jede Hand hat er unbedingt verdient.

Redhood: Nun, was hab ich nicht gesagt: Das ist er! Und alles ungefähr so, wie ich es mir ausgemalt habe. Nur dass ich noch nicht recht weiß, ob er will oder nicht will oder will, dass er nicht will oder nicht will, weil er will.

Tatzkis Stimme: Also, mein Junge. Reich deine rechte Hand, damit ich dir darauf schreiben kann, dass du deine Lektionen nicht gelernt hast! - Nun? Wird´s bald? - Also! - Und nun noch die andere Hand. Und merk dir, dass die Bestrafung nicht das Mindeste mit Lust zu tun hat.

Fratzkis Stimme: Und jetzt auf den Boden, auf dass ich dich zubereite!

Grabbatschs Stimme: Ich will nicht zuberitten werden.

Tatzkis Stimme: Unlust wird Lust, mein Herr, wenn man nur will.

Redhood: Da haben wir es!

Fratzkis Stimme: Aber er will noch nicht.

Tatzkis Stimme: Ja dann helfen wir ihm eben ein wenig.

Redhood: Ich fürchte, dass sie doch noch einen Helden aus ihm machen.

Grabbatschs Stimme: Niemals werde ich mich zum Esel erniedrigen.

Tatzkis Stimme: Wenn er lieber ein Ochse sein will? Ochs oder Esel. Er hat die Wahl. Es steht ihm frei. Nur faul herumstehen darf er uns nicht. Bis zum Tagesanbruch will das Korn gemahlen sein.

Fratzkis Stimme: Halte ihn fest, damit ich ihm den Strick umlege!

Grabbatschs Stimme: Ihr könnt mich totschlagen, aber ich lass mir keinen Strick umlegen.

Tatzkis Stimme: Das werden wir ja sehen.

Fratzkis Stimme: Überhaupt! Wie viele Männer gäben etwas darum, von uns umstrickt zu werden.

Grabbatschs Stimme: Lasst mich!

Fratzkis Stimme: Und nun marsch! - Hei, wie das doch geht!

(Man hört Peitschenknall und Gestöhn)

Redhood: Ich steh und schau und kann es kaum begreifen. Fehlt nur, dass er noch Flügel kriegt und wie ein Pegasus an zu fliegen fängt, hinaus, hinauf, auf zum Heroenhimmel!

4. Akt: Wie die Thatchel hinzukommt

1. Szene: Redhood trifft Thatchel

(Thatchel kommt auf das Haus zu)

Thatchel: Der Zeitpunkt hätte nicht ungeschickter sein können. Jetzt, wo ich alle Hände voll zu tun habe, wo ich nicht weiß, woher ich mir die Zeit nehmen, woher ich sie mir stehlen soll, um alles das zu tätigen, was getan sein will. Und nun muss ausgerechnet ich mich auf den Weg machen, um zu sehen, wo der alte Grabbatsch steckt, als ob es kein anderer hätte tun können. (ins Publikum) Wie, oder glaubt mir jemand nicht? Wer jemals in der weiten Welt, hatte je eine so gigantische Politik in Angriff genommen und verfolgt, wer je einen so gigantischen Rettungsschirm aufgespannt. Ja, wer hat jemals, als alles schon verloren zu sein schien, noch einen so gigantischen Sieg errungen, wenn Sie mir gestatten, meinem ungefährdeten Sieg ein wenig vorzugreifen! Tausende von Milliarden an Euros teile ich aus: an Griechen und Römer, Spanier und Portugiesen; und wenn sich die Türken beeilen und unserem Europa beitreten, können sie auch noch Milliarden bekommen. Freilich ist das ein verantwortliches Geschäft; wer wollte das bezweifeln; und doch macht es auch Spaß; o ja, wie das Spaß macht, mit vollen Händen auszuteilen; gleichsam aus dem Nichts hole ich die Milliarden herauf und teile sie aus an Heiden und Christen. - Doch still! Da ist ja die Redhood!

Redhood (noch beim Zuschauen): Aber was seh ich denn da? Die Thatchel! Hab ich nicht vorhin noch von ihr gesprochen! Wie im Sprichwort. Wenn man den Esel nennt, kommt er gerennt. Doch nun gib gut Acht, alte Redhood, dass du dich als wackere Politikerin und Diplomatin erweisest! Vom Grabbatsch hinter mir muss sie nichts wissen. Das behalten wir vorerst einmal allein für uns. Setzen wir uns doch einfach hierhin und tun so, als gönnten wir uns eine kleine Pause auf einer Rundwanderung um unseren geliebten Konstanzer See!

Thatchel: (für sich) Nun gib gut Acht, meine gute Thatchel! Als ob ich meine kleine neidische Rivalin nicht längst erspäht hätte! Wo immer ich gehe und stehe, da ist auch sie. Wie ein Magnet das Eisen, so zieh ich sie an. Doch muss es mich stören? Wer sich auf dem rechten Weg befindet, muss sich an nichts stören oder gar Anstoß nehmen. Und ich bin ja auf dem rechten Weg. Und wie ich auf dem rechten Weg bin. Ein stolzerer Pfad hätte sich unmöglich auffinden lassen. Drum jetzt nur schön Haltung bewahren. Keinen Augenblick lang darf da auch nur der leiseste Zweifel bestehen, wer das Heft in der Hand hat. Und das wird so sein, wenn du, meine gute Thatchel keinen Augenblick lang vergisst, das man später einmal, sagen wir in tausend oder hunderttausend Jahren auf diese unsere Zeit jetzt zurückblickt, niemanden mehr sehen wird außer mir, der großen Mutter Europas und der wahrhaft und immerwährenden modernen Welt. Den Grabbatsch, der jetzt noch einen ungeheuren Wirbel und Lärm um sich macht, wird keiner mehr kennen, von der kleinen Redhood ganz zu schweigen.

Redhood: Ja, wen seh ich denn da? Die Thatchel?

Thatchel: Ja, wen seh ich denn da? Die Redhood?

Redhood: Was will Sie hier?

Thatchel: Und was will Sie hier? Geh Sie nur hübsch weiter! Wenn ich sie brauche, lass ich es Sie wissen.

Redhood: Der See ist doch hübsch. Oder nicht? Da hat man zur Zeit des Konstanzer Konzils noch alle Ehebrecher und Ehebrecherinnen ersäuft. Ja, eben dort, wohin gnädige Frau schauen belieben.

Thatchel: Sag ich: Geh! So hat man zu gehen.

Redhood: Darf ich nicht machen, was ich will, ohne sie um Erlaubnis zu fragen?

Thatchel: Das ist überhaupt keine Frage zumal wenn es sich um Amtsgeschäfte handelt.

Redhood: Aber hier handelt es sich nicht um Amtsgeschäfte, sondern um Vergnügungen in der Freizeit.

Thatchel: Eine Interimsregentin hat nie frei, gnädige Frau Redhood.

Redhood: Dann wird es höchste Zeit, gnädige Frau Thatchel. Wir haben genug vom Juniorpartner-Dasein. Zeit wird es, dass wir die Ruder in die Hand nehmen und endlich mal zeigen, wie man gute Politik macht.

Thatchel: Lass sie sich gesagt sein, dass ich für jetzt noch immer die Nummer eins bin. - Und nun verzieh sie sich, damit ich ungestört in das Haus eintreten kann.

Redhood: Lalala, Frau Thatchel. Das Haus steht nicht in bestem Ruf. Das sollte sie wissen. Zitzelstetten ist dafür bekannt.

Thatchel: Sie muss mir nicht sagen, dass das Haus Europa kein Siechhaus ist, wo man mit einem Stück Kuchen und einer Flasche Wein zu Besuch kommt.

Redhood: Lass Sie die Finger von der Klingel. Das bringt doch nichts! Sie vermasselt sich alles.

Thatchel: Sag Sie mir das noch einmal. Dann haben meine Finger geläutet. Denn es juckt mich gewaltig.

Redhood: Ist das ist nicht allerliebst? So mach ich das immer, wenn ich haben will, dass einer klingelt.

Thatchel: Wenn sie meint, eine Lustpartie hätte mich hergeführt, so irrt sie gewaltig. Früher kaufte man die Gefangenen aus Algier frei, heute aus dem Haus Europa. Da sehen Sie her! (sie holt einen Geldbeutel hervor und zeigt stolz viele Scheine)

Redhood: Wär sie doch zu Hause geblieben und hätte dort ihr Geld gezählt. Oder sie hätte sich vom Minister im Kanzleramt ein paar Märchen vorlesen lassen. Das soll gut sein, wenn man sich übernommen hat. Da weiß man dann wenigstens wieder, wo man zu Hause ist.

Thatchel: Tu sie sich nur keinen Zwang an und halte sie sich an die Hausmittelchen, wenn sie sich bei ihr gut bewährt haben. Was mich betrifft, so weiß ich, dass mich die Welt braucht, auch wenn viele noch nicht bemerkt haben, dass eine Frau wie ich auf den Plan muss. Wir können nicht abwarten, bis die Männer auch noch das letzte Restchen heiler Welt verscherbelt und zerstört haben.

Redhood: Wohlbemerkt, Mrs. Thatchel, und ganz meiner Meinung. Nur wundert mich, dass Sie der Weg da ausgerechnet zu Grabbatsch, ihrem Vorgänger im Amt, geführt hat.

Thatchel: Rechnen Sie es zu den Geheimnissen, die Sie nie begreifen!

Redhood: Dabei sollte er doch alt genug sein mit seinen 80 Jahren, um hin und wieder mal auf seine unerschöpfliche Manneskraft zu verzichten. Indessen gebe ich ihr ja Recht: Ein Mann will offensichtlich auch dann noch Mann bleiben, wenn er sich schon zu einer trefflichen Würmerspeise verwandelt hat. Unerschütterlich glaubt er an seine Ausstrahlungskraft und Attraktivität, dass er ganz glücklich ist, wenn wir so tun, als ob sie ihm noch immer zu eigen wären. Und doch gibt es kaum etwas Hässlicheres und Würdeloseres als einen alten Mann, der sich für zu wichtig hält, als dass er von der Bildfläche verschwindet.

Thatchel: Lassen wir doch einmal allen Zank und alle Invektiven auf sich beruhen! Zumal jetzt, wo wir allein sind und niemand uns hört und folglich auch keine von uns vor der Öffentlichkeit zu punkten vermag. Grabbatsch litt schon immer unter Schlaflosigkeit. Das weiß jeder. Das wissen also auch Sie, ebenso gut wie ich. Und als es wieder einmal so weit war, dass er meinte, jetzt würde ihm gleich die Decke auf den Kopf stürzen, machte er sich aus dem Haus. Immer schon hatte er von dem Haus hier gehört, insbesondere durch seine superreichen Freunde, die ihn dazu animiert hatten, sich doch einmal hier umzusehen. Wie die ganze Geschichte im Einzelnen weitergegangen ist, weiß ich noch nicht. Nachdem er nun aber schon den dritten Tag nicht mehr aufgetaucht ist, hat die Süßmund-Frommherz, seine Sekretärin, mich in Kenntnis gesetzt. Und nun bin ich eben da. Ob mir etwas gelingt, wer mag es wissen. Auf jeden Fall wird mir keiner nachsagen könne, ich hätte es an Teilnahme und Geschwisterlichkeit fehlen lassen. - Doch still! Da höre ich was!

2. Szene: Grabbatschs Stimme

(Wieder meldet sich Grabbatsch)

Grabbatschs Stimme: Und das sage ich ganz bewusst und mit voller Absicht und ich betone, dass ich das ganz bewusst und mit voller Absicht sage?

Thatchel: Das ist er!

Redhood: Wer? Haben Sie etwas vernommen, Mrs. Thatchel?

Thatchel: Hat Sie nicht gehört, wie er gesagt hat: "Und das sage ich ganz bewusst und mit voller Absicht"

Redhood: Ach das! "Und ich betone, dass ich das ganz bewusst und mit voller Absicht sage."

Thatchel: Unser Grabbatsch.

Redhood: Ja gewiss, euer Grabbatsch. Wer sonst könnte das sein mit seiner ewig gleichen, ausgeleierten Rhetorik! So fängt er immer an, wenn er glaubt, der Welt etwas ganz Außergewöhnliches mitteilen zu sollen.

Thatchel: Von da kam die Stimme. Aber man sieht nichts.

Redhood: Man wird die Vorhänge in der Zwischenzeit zugezogen haben.

Thatchel: Was soll das heißen?

Redhood: Ich meine ja nur, dass man nicht in den Raum sieht, weil die Vorhänge zugezogen sind.

Thatchel: O Mrs. Redhood. Vergessen wir unsere Feindschaft! Helfen wir einander!

Redhood: Nur Geduld, wo wir uns in der Spur des Erfolgs befinden.

Thatchel: Noch wissen wir nicht, was er uns hat sagen wollen.

Redhood: Wir werden es noch vernehmen.

Thatchel: Wenn wir nur nichts Böses finden. Der Leidtragende wäre ich.

Redhood: Immerhin steht fest, dass sich der Grabbatsch in diesem Haus einquartiert hat.

Thatchel: Auch wenn ich einige Spendengelder der Partei bei mir hätte, um ihn herauszukaufen, wenn er etwas Gravierendes angestellt hat, so behöbe das bestenfalls die materiellen Schäden.

Redhood: Still!

Thatchel: Haben Sie wieder etwas gehört?

Redhood: Nein, noch nicht; aber es ist am Kommen.

Thatchel: Ich habe noch nichts gehört.

Redhood: Da! Dieses schwere Geschnaufe!

Thatchel: Dabei kann sich nur etwas ganz Großes und Gewaltiges bilden.

Redhood: Wahnsinn bei Großen darf nicht ohne Wache gehen.

Thatchel: So geben Sie wenigstens zu, dass Grabbatsch ein Großer ist?

Redhood: Es genügt schon, dass sich einer für einen Großen hält, um sich auf Demonstrationen des Wahnsinns gefasst zu machen.

Thatchel: Jetzt hört man aber nichts mehr.

Grabbatschs Stimme: Und das sage ich ganz bewusst und mit voller Absicht?

Redhood: Da! Das war er wieder. Aber das hat er vorhin schon gesagt. Ein Politiker aber sollte sich nicht zu viel wiederholen.

Thatchel: Es hört sich an, als stünde er immer wieder vor derselben Hürde, ohne drüber weg zu kommen. Sie glauben ja nicht, Mrs. Redhood, wie gern ich ihm helfen würde und weiß doch nicht, was ich tun soll.

Redhood: Gar nichts können wir einstweilen tun. Nur darauf bedacht sein, sobald etwas zu tun ist, tätig zu werden.

Thatchel: Ich glaube nicht, dass er sich freiwillig hier befindet.

Redhood: Glauben Sie nicht! Warten wir es ab! Schadensbegrenzung heißt unsere Aufgabe, damit wir auch noch morgen glaubwürdige Politik machen können.

Thatchel: Sie werden es nicht glauben, Redhood, aber ich mache mir gewaltige Sorgen um Grabbatsch. Er ist lebensmüde. Hätte ich es sonst gewagt, für ihn die Regierungsgeschäfte zu übernehmen?

Grabbatschs Stimme: Nicht dass du meinst, Ratscher, ich hätte dich nicht gesehen.

Thatchel: Das war er wieder.

Redhood: Diesmal aber ohne sein notorisches "Und das sage ich ganz bewusst und mit voller Absicht".

Thatchel: Den Ratscher hat er genannt.

Redhood: Das ist ein Vereinskamerad von euch.

Thatchel:Er fühlt sich beengt und bedrängt.

Redhood: Das klang allerdings nicht sonderlich souverän, eher etwas leidend.

Thatchel: Wenn wir ihm helfen könnten. Hier heraus kam auf jeden Fall die Stimme. Es muss ihn jemand da hineingelockt haben.

Redhood: Dagegen sage ich nichts; ich füge nur hinzu, dass sich schon ganz andere Herren in solche Etablissements haben hineinlocken lassen.

Thatchel: Aber nicht unser Grabbatsch.

Redhood: Entschuldigen Sie! Aber wenn Sie sich andauernd selber widerspricht, kann ich mich nicht mit ihr unterhalten.

Thatchel: Ich wollte ja nur sagen, dass Grabbatsch in diesen Dingen ganz gewiss unbedacht und hilflos ist wie ein ahnungsloses Kind.

Redhood: Sie meinen, weil er immer so griesgrämig schaut über seinen dickgeschwollenen Tränensäcken, so wäre er unfähig, sich mit einer fremden jungen Bordell-Frau einzulassen?

Grabbatschs Stimme: Und auch dich hab ich gesehen, Ramscher. Und es würde mich nicht wundern, wenn der Rauch auch mit dabei wäre.

Redhood: Nun? Was sagen Sie dazu?

Thatchel: Was soll ich dazu sagen? Rauch und Ramscher. Sind das Bordell-Frauen oder Parteibrüder?

Redhood: Manchmal sind Bordell-Frauen das kleinere Übel. Warten wir es ab! Es wird sich zeigen, wo ihn der Schuh drückt.

Thatchel: Aber, aber, Frau Redhood. Solche Menschenkenntnis rührt ja fast schon an Misanthropie.

Redhood: O nein. Ich hasse die Menschen nicht. Allenfalls, dass ich hin und wieder die feige, zur Unterwerfung neigende Art des Menschen verabscheue.

Thatchel: Aber doch nicht der Ratscher und der Ramscher!

Redhood: Und doch erinnert mich gerade auch der Ratscher daran. Der erste Eindruck, den ich hatte, als ich den Ratscher sah, war, als sähe ich einen Affen.

Thatchel: Das kann ich nicht beurteilen.

Redhood: Weshalb das so ist, das ist in der Tat nur schwer zu sagen. Vielleicht, dass es an den großen abstehenden Ohren liegt und an den kleinen kreisrunden Äuglein, die einen besonders stark irritieren, wenn er den Versuch macht, einen Blickkontakt aufzunehmen.

Grabbatschs Stimme: Ja, Rauch, jetzt habe ich auch dich gehört. Dein unverschämtes Feixen. Jetzt weiß ich, dass auch du hinter dem Anschlag steckst. Und auch du, Ramscher, auch wenn du dich hinter der Unfehlbarkeit von Institutionen versteckst, bist keineswegs reingewaschen.

Redhood: Von einem Anschlag war da die Rede.

Thatchel: Das ist nicht gut.

Redhood: Dass man so mit Brüdern umgeht! Immerhin saßen sie doch auch alle einmal gemeinsam am Tisch, aßen Brot und tranken Bier und träumten von ihrer Zukunft.

Thatchel: Das ist schlimm.

Redhood: Verschone mich mit Brüdern, lieber Gott, wenn sie zu nichts anderem da sind, als einem die Freude am Leben zu vergällen und zu vermiesen.

Grabbatschs Stimme: Für das Vaterland war es gut, für mich ein Unglück.

Thatchel: Was soll das heißen? Was will er damit sagen, dass es für ihn ein Unglück war?

Redhood: Was weiß ich. Aber der Brüder wegen hat er sich doch wohl nicht in dieses Haus verirrt und des Vaterlands wegen auch nicht. Vielleicht sollten Sie sich doch überlegen, verehrte Thatchel, ob Sie nicht lieber klein bleiben.

Thatchel: Ich, die ich bereits eine ausgewachsene, historische Erscheinung bin! Warum denn das?

Redhood: Dann müssen Sie niemals Angst haben, dass Sie jemand beneidet.

Thatchel: Werde ich denn nicht bereits überall beneidet?

5. Akt: Nil Santi stellt sich vor

1. Szene: Die Santi allein

Santi: Santi ist mein Name. Genauer noch, Nil Santi, vielleicht zur Warnung, dass mein Kopf allergisch ist gegen jeden Heiligenschein. Und wo nichts ist, da soll man auch nach nichts suchen. Immerhin gehört mir dieses Anwesen. Was aber meinen Beruf und mein Aufgabenfeld angeht, so lässt es sich in Zusammenhang bringen mit dem Namen des Anwesens, das, wie Sie gewiss gelesen haben, Haus Europa heißt. Doch glaube nur ja keiner, dass das leicht ist und ohne Kosten abgeht, stromaufwärts zu schwimmen und jünger zu werden. Ohne Kirkes Zauberstab oder Medeas Kochkunst gelingt es keinem, der Zeit zu trotzen.

Doch erlauben Sie mir, Ihnen die Frage zu stellen, wozu ein Mensch heutzutage noch auf die Erde kommt. Die Beantwortung dieser Frage ist nämlich nicht ganz unwichtig. Etwa um Gelder zusammenzuraffen und reich zu werden, um sich dann, wenn man sich flussabwärts als Spekulant auf den Aktienmärkten genug ausgetobt hat, in ein Pflegebett zu legen und sich die letzten 20 oder 30 Jahre tapfer zu Tode pflegen zu lassen? Kühn, meine Damen und Herren, behaupte ich, dass die Welt noch nie so gründlich und fest im Griff des Geldes war wie heute. Selbst die Universitäten, die Brutstätten des Geistes, hält das Geld bereits an der Sklavenleine. Die Wahrheit wird euch frei machen steht zwar noch in goldenen Lettern über ihren Eingangstüren; die Wahrheit aber ist, dass selbst die Wahrheit längst eine Gefangene des Geldes ist und dass die Forschungsergebnisse zum Verkauf ausstehen, noch ehe sie das Licht der Welt erblickt haben. Wenn nun aber alle Welt auf Geld aus ist, dann müssten wir ja sehr dumm sein, wenn wir nicht auch unser Teil von diesem Kuchen haben wollten? Was mich betrifft, so bin ich Madame Nil Santi, die Inhaberin und Vorsteherin dieser Villa, die es sich angelegen sein lässt, alt gewordene Reiche mit mehr oder minder großen Verdiensten, alle aber mit einem großen Sack Geld, ins Bettchen der Ruhe zu bringen. Die überwiegende Mehrzahl unserer Gäste bevorzugt dabei einige Gesellschaft; die einen, um sich dabei ihre Füße massieren zu lassen und aufzuwärmen, andere, um etwas Weibliches und Warmes um sich zu haben, wieder andere, um sich noch einmal im großen Spiel zu versuchen, ehe die große Stille kommt. Um allen diesen Bedürfnissen nachzukommen, verfüge ich über ein gutes Dutzend Angestellte, alles gut aussehende und durchtrainierte junge Damen, die, mit den Wünschen und Lebensgewohnheiten und Bedürfnissen unserer Gäste vertraut, wissen, was sie zu tun haben. Was die Vielfalt und den Reichtum der Begabungen meiner Mädchen angeht, muss ich nicht viel Worte verlieren. Die eine hat einen Schmelz in ihrer Stimme, dass jede Primadonna von Operettenprinzessin vor Neid erstürbe, die andere singt so laut und kräftig wie eine Nachtigall, dass man damit bequem eine Milliarde Schallplatten bestücken könnte; die dritte weiß sich zu geben und zu betragen, dass man sie sich am liebsten gleich auf den Schoß setzen würde. Vornehmlich aber die Kunst, das uralte und ewig neue Bedürfnis des Mannes zu wecken und zu befriedigen, beherrschen sie alle. Dass uns jener besagte Abgang gleichwohl nicht immer so gelingt, wie wir ihn geplant haben, ist zwar bedauerlich, aber doch eben leider auch verständlich. Oder sind wir nicht fast alle im Begehren und Wünschen Kannibalen und Kyklopen? Zumal wo man kaum mehr eine Grenze sieht zwischen Erlaubtem und Verbrechen, werden die Dinge delikat. Alles, was Geld hat, kommt ja schließlich zu uns. Und viele von diesen stellen Ansprüche, die auch mit der dicksten Verlockung von Gold und Geld nicht erfüllbar sind. Stets aber versuchen wir, unser Bestes zu geben. Und wo viel Geld keine Rolle spielt, lassen wir uns auch manch ein kühnes, außergewöhnliches Stückchen einfallen.

Hier nun haben wir in unserem Haus zur Zeit einen Mann zu Gast, einen Mister Grabbatsch, der eine Zeitlang die Geschicke des Landes so glücklich bestimmt hat, dass man ihn gelegentlich auch schon den Vater des Vaterlandes genannt hat. Seitdem aber ist schon manches Jahr verflossen; und er hat längst Abschied vom Beruf genommen. An Selbstbewusstsein mangelt es ihm zwar noch immer nicht ganz. Zumal wenn er andere sieht, die sich mausig machen, etwas Besonderes zu sein, erinnert er sich gerne daran, dass er schon an manch einer königlichen Tafel gespeist hat, wenn er dann auch immer wieder ganz plötzlich zu verstummen und unsicher zu werden pflegt. Zwar begehrt er noch immer, ebenso wie alle anderen großen Staatsmänner und Machtmenschen, nach dem wundervoll luxuriösen Ambiente mit Geld und Frauen und fühlt sich wohl, wenn man Blicke der Bewunderung und des Neids auf ihn wirft, doch kann er den öffentlichen Rummel längst nicht mehr verkraften. Und was seine Ausstrahlungskraft auf das schöne Geschlecht betrifft, so ist er mit seinen 80 Jahren doch schon entschieden zu alt, als dass seine Potenz ihm dabei noch mithilft. Außerdem leidet er noch an einer Gemütskrankheit, die ihn zugleich begehren lässt, was er verabscheut, und zu verabscheuen, was man ihm reicht. Er hat noch nicht begriffen oder er will nicht begreifen, dass sich die Welt verändert hat und seiner nicht mehr bedarf. Steinreiche Freunde haben ihn zu uns gebracht und uns gebeten, für die letzten wenigen, ihm noch verbleibenden Tage, wie sie sagten, zu sorgen. Aus den wenigen Tagen sind aber inzwischen schon mehrere Wochen geworden und es ist fast nicht abzusehen, was aus diesem Fall werden soll. Nun hat der werte Herr morgen seinen 80. Geburtstag. Da haben wir ihm versprochen, zu diesem seinem Fest alles herbeizuschaffen, was in der Welt einen großen Namen hat. Er winkte zwar ab, dennoch aber wollen wir sehen, ob uns nicht doch noch der große Erfolg winkt. Am Busen der Natur erschöpft einzuschlafen - gibt es einen schöneren Tod?

2. Szene: Murdoch mit Assistentin

Santi: Doch da kommt ja Freund Murdoch mit seiner Assistentin!

Murdoch: Alles wäre jetzt so weit fertig, dass wir beginnen können. Nur noch ein paar Blicke in den Festsaal sind nötig, was meine Brooks gleich erledigt.

Santi: Und die Telefone?

Murdoch: Sind uns sicher! Kein Gespräch, kein Wort das uns entgeht.

Santi: Passen Sie aber auf, dass Sie den alten Herrn nicht dabei stören.

Brooks: Selbstverständlich! (ab)

3. Szene: Santi und Murdoch

Santi: Man kann nicht behutsam genug zu Werke gehen.

Murdoch: Nur keine Sorge, Madam Santi: In dieser, unserer Behutsamkeit ist Umsicht inbegriffen, so dass Sie und Ihr Haus nichts von all unseren Zurichtungen jemals gewusst haben noch wissen werden.

Santi: Unwissenheit, das wissen Sie aber, schützt nicht vor Strafe.

Murdoch: Nichts soll Ihnen jemals widerfahren.

Santi: Aber Grabbatsch ist und bleibt doch Ihr Freund. Warum wollen Sie denn dann alles so genau dokumentieren?

Murdoch: Das ist doch kein Widerspruch. Mrs. Santi. Im Gegenteil. Grabbatsch ist ein großer Mann, wenn er sich vielleicht auch etwas zu viel bei der Betrachtung der eigenen Größe aufgehalten hat. Das bringt bekanntlich schizoide Züge in den Charakter. Ein großer Staatsmann und ein Genie bleibt er aber dennoch. Wir aber sind dafür mitverantwortlich, dass dieser Mann nicht umsonst gelebt hat. Das aber sind wir der Menschheit und der Bewahrung des Weltkulturerbes schuldig. Noch nie nämlich wurde ein Genie so genau porträtiert. Wenn er der Welt in goldenem Licht erstrahlt, so nur dank meiner uneigennützigen Mithilfe. Kaum ein Buch gibt es, das von ihm oder über ihn geschrieben wurde, das ich nicht liebevoll umsorgt und ediert habe. Und auch der Aufenthalt hier geht, wie Sie wissen, zum größten Teil auf meine Rechnung. Wenn nun aber wieder etwas in meine Kasse zurückfließt, so ist das doch kein Verbrechen.

Santi: Immerhin erwarte ich Gäste, die wir nicht genauer porträtieren sollten.

Murdoch: Grabbatsch ist und bleibt mein Freund. Ihre Gäste aber sind nur Gäste.

Santi: Ich bin alt und müde geworden, Mister Murdoch. Meine Füße tragen mich kaum mehr. Und da habe ich mich zu einem Verkauf von Europa entschlossen.

Murdoch: Ich weiß. Ich bin darauf vorbereitet.

Santi: Was blieb mir anderes übrig? Die Epoche des Genies und der Titanen ist vorbei.

Murdoch: Gewiss. Es sind andere Mächte, die uns heute regieren.

Santi: Auf das Individuum wartet kein Ruhm mehr, außer vielleicht noch der traurige Ruhm des großen Weltzerstörers. Indem er der Menschheit den Ausgang zeigt, findet er noch als Letzter Eingang in ihre Geschichte.

Murdoch: Irgendwie wird es schon weitergehen. Vielleicht bekommen dann die Dinos noch einmal eine Chance. Ich sehe sie schon aus ihren Verstecken nach uns äugen. Denn dass sich die Natur nach der Menschheit noch einmal ein solches Ungeheuer wie den Menschen ausdenkt, glaube ich kaum. Auch die Natur wäre jedenfalls gut beraten, wenn sie dazu lernte.

4. Szene: Krapschki macht Meldung über die Damen

(Krapschki kommt und vermeldet die Ankunft der beiden Damen)

Krapschki: Gnädige Frau, zwei Damen sind gekommen, die uns verdächtig vorkommen.

Santi: So, so. Zwei Damen! Und was sind das für Damen?

Krapschki: Eine mit einem roten Bubikopf

Murdoch: Die haben wir allerdings auch schon gesehen. Eine exaltierte Erscheinung aus dem Mittelalter. Und dann wäre da noch so eine eher dem Altertum zuzurechnende Matrone in Hosen. Ist es nicht so?

Krapschki: Ebenso, mein Herr!

Santi: Die beiden Damen hab ich auch längst bemerkt. Das eine ist die Interimsregentin Thatchel; das andere die Führerin der Opposition. Was sie im Einzelnen zu uns geführt hat, entzieht sich momentan noch meiner Kenntnis. Doch das werden wir bald haben. - Marsch, begib sie sich an die Arbeit und tu sie, was man ihr sagt! - Wir aber wollen besorgen, was noch zur Besorgung ansteht, ehe das große Fest beginnt!

6. Akt: Wie Nil Santi die beiden Damen aufklärt und dann zum Verschwinden bringt

1. Szene: Redhood und Thatchel

Redhood: Wäre das Wissen, dass uns ein geglücktes ewiges Leben bevorsteht, eine Hilfe, uns zu befreien aus dem Gefängnis des menschlichen Daseins? Die Zeiten sind jedenfalls vorbei, wo man noch stolz auf die Erfindung der Schrift, von einer Weltgeschichte träumte, die im Buch des Schicksals und der Götter verzeichnet stand. Unser Problem liegt darin, dass wir nur noch sicher wissen, dass das, was wir heute tun, schon morgen zum Müll der Geschichte gehört. Kein Hahn flattert mehr auf diesen Berg, um auch nur noch eine Strophe dazu zu krähen, geschweige denn, dass wir noch an ein göttliches Walten glauben dürften.

Thatchel: Aber Grabbatsch träumt noch immer vom Kranz der Unsterblichkeit, den ihm die Grazien aufs Haupt setzen.

Redhood: Vielleicht erwartet ihn eine glanzvolle Himmelfahrt und der Triumph einer Apotheose beim Eintritt in den Kreis der Himmlischen wie den Julius Cäsar? Je mehr er aber erwartet, um so schrecklicher scheinen um ihn seine neidischen Freunde zu toben. Und nun soll auch noch anlässlich seines 80. Geburtstags ein Denkmal enthüllt werden.

Thatchel: Ah wie ich diese Denkmäler hasse! Als müsste man hineinsteigen und sich zu Stein verwandeln lassen. Und glaube mir, liebe Redhood: Lieber wollte ich ewig leben als sterben, um dann ewig zu leben.

Redhood: Das scheint zu dir zu passen. Überhaupt passt das zu euch Papisten: dass man bei euch noch fröhlich von der Unsterblichkeit träumen darf, einerlei ob man sich dabei lächerlich macht oder nicht. Grabbatsch sollte vergessen, dass er Grabbatsch ist. Doch wer kann Grabbatsch sein außer Grabbatsch? Ich sage Ihnen, Frau Thatchel, dass Sie, wenn Sie als ein Grabbatsch auf die Welt kommen, Sie die Welt auch wieder als ein Grabbatsch zu verlassen haben.

Thatchel: Trag ich etwa einen Wald von Köpfen mit mir, der missbilligend an mir vorüberzieht?

Redhood: Wer als Frau Macht ausüben will, der muss außer sich selber auch noch ein Dutzend Männer beherrschen, und das nicht nur durch angeschminkte Schönheit.

Thatchel: Als ob sie mir einen Rat geben müsste. Ich habe immer die Hosen an. Alles an mir ist behost: der Leib und die Seele! Das Herz und der Geist; der Glaube und die Liebe und vielleicht auch meine Hände? Nun? Und wenn ich spreche? Fliegen mir nicht auch behoste Sätze aus dem Mund?

2. Szene: Redhood und Thatchel treffen auf Santi

Santi: (im Hintergrund) Machen wir jetzt keine weiteren Umstände! Schreiten wir zur Sache! (auf die beiden Damen zugehend) Meine Damen, womit kann ich dienen?

Redhood: Sind Sie die Eigentümerin dieses Hauses?

Santi: So ist es. Und Sie sind die Interimsregentin Mrs. Thatchel?

Thatchel: So ist es.

Santi: Und Sie die Oppositionsführerin Mrs. Redhood?

Redhood: Auch dies trifft zu.

Thatchel: Was uns betrifft, so sind wir auf der Suche nach Mister Grabbatsch, dem großen alten Staatsmann, der bekanntlich seinen 80. Geburtstag feiert, leider aber seit Tagen als vermisst gilt. Sie werden verstehen, dass er morgen bei der feierlichen Enthüllung seiner Reiterstatue zugegen sein sollte.

Santi: Mister Grabbatsch hält sich allerdings bei uns auf, wenn ich Ihnen das ganz gegen meine Gewohnheit in aller Vertraulichkeit sagen darf. Schließlich logiert, wer hier bei uns logiert, freiwillig, und hat ein Recht darauf, unerkannt zu bleiben.

Thatchel: Nun haben wir immerhin eine Stimme gehört, welche die Stimme des Herrn Grabbatsch war und hier aus dem Haus kam.

Santi: Ich wüsste nicht, was daran Besonderes ist, es sei denn, dass man doch eigentlich nicht lauschen und schnüffeln sollte. Oder wäre es nicht angemessener gewesen, bei uns anzurufen und sich auf schöne Weise zu erkundigen?

Thatchel: Es war nichts Edles und Schönes, was uns da zu Ohren gekommen ist. Deshalb, und weil uns böse Gerüchte zu Ohren gekommen sind, fragen wir uns, was für ein Haus das hier ist.

Santi: Gemach, gemach, meine Dame! Unser Haus ist bekannt für das Edle und Schöne. Sollte Ihnen also etwas Nicht-Edles und Nicht-Schönes zu Ohren gekommen sein, so hat es nichts mit unserem Haus zu tun. Natürlich können wir unmöglich für alle unsere Gäste stehen. Viele kommen auch mit großen Beschwerden zu uns.

Redhood: Wollen Sie damit sagen, dass Mister Grabbatsch mit großen Beschwerden zu Ihnen gekommen ist?

Santi: Das kann man wohl sagen. Und wenn einer in der kurzen Zeit dieser wenigen Tage gelernt hat, ein Pferd zu besteigen und wie ein Colleoni fürstliche Majestät und Herrschergröße auszustrahlen, so bei uns.

Thatchel: Zeigen Sie uns doch diesen selbstbewussten siegessicheren Helden, den Sie uns so ganz anders schildern als wie wir ihn gehört haben.

Santi: Ja sind wir denn Besitzer von Schaubuden? Er wird sich Ihnen schon zeigen, wenn er die Zeit dafür gekommen hält. Im Übrigen gebe ich Ihnen den guten Rat: Lassen Sie Mister Grabbatsch in Ruhe. Er ist kein Petrus, den man hier in Kettenhaft hält. Und wenn er es für Recht hält, morgen bei der Denkmalenthüllung hier bleiben zu sollen, so soll ihn niemand daran hindern. Oder sind Sie anderer Meinung?

Redhood: Auch die Öffentlichkeit hat ein gewisses Recht, dem wir uns nicht beliebig verweigern dürfen.

Santi: Jedenfalls sehen die Damen auch nicht gerade aus, als wären Sie die Engel, die der liebe Gott ausgeschickt hat, ihn zu befreien.

Grabbatschs Stimme: O ich rede mir nicht ein, in meinem Werk weiterzuleben, verehrter Klaus Ramscher. Ich weiß es. Und ich weise auch ganz entschieden den Vorwurf zurück, als wäre es ein Verbrechen, wenn ich mich fortan als den größten Sohn des Vaterlandes verehren lasse.

Thatchel: Nun? Was sagen Sie dazu?

Santi: Na und?

Thatchel: Sie sagen nur: Na und?

Santi: Gehen mich diese Worte etwas an? Ja, dürfen sie mich etwas angehen? - Kein Gericht wird mich deshalb verurteilen.

Thatchel: Lassen Sie mich zu ihm!

Santi: Wenn Sie mir eine Einladung zeigen oder eine Bitte von Mister Grabbatsch, ihn zu besuchen.

Redhood: So gehen Sie und sagen Sie ihm, dass wir gekommen sind.

Thatchel: Es genügt, wenn er weiß, dass ich gekommen bin.

Redhood: Entschuldigen Sie, Mrs. Thatchel; aber mein Antrag ist der weiterreichende.

Thatchel: Hallo, Mister Grabbatsch, können Sie mich hören? Ich bin´s, die Thatchel.

Grabbatschs Stimme: Ich kann euch nicht brauchen.

Santi: Da haben Sie es, gnädige Mrs. Thatchel. Kein Mensch braucht den anderen. Das ist leider nunmal so. Und selbst die Kleinstkinder, die ihre Mütter brauchen, missbrauchen sie ja doch; denn sie brauchen sie nur, um sich so bald wie möglich von ihnen loszusagen.

Thatchel: Grabbatsch weiß nicht, dass ich es bin. Er meint, ich wäre der Klaus Ratscher, dabei bin es doch ich, Grabbatsch, deine Thatchel!

Grabbatschs Stimme: Meine Politik ist keine Katastrophe und ich habe nichts mit einem Angsthasen zu tun. Ich habe nur gelernt aus der Geschichte und ich habe die Konsequenzen gezogen.

Thatchel: Da haben wir es! Der glatte Beweis, dass er sich nicht mit mir unterhält. Oder habe ich ihm jemals vorgeworfen, seine Politik sei eine Katastrophe? Selbst meine Feindin Mrs. Redhood muss zugeben, dass davon nicht die Rede sein kann.

Santi: Sie werden Verständnis haben, dass ich Sie hier nicht stehen lassen kann. Das sind doch Diskreta, meine Damen, die Sie da vernehmen. Das wäre genau so, wie wenn ich zuließe, dass Sie die Telefongespräche unseres Hauses abhörten!

Redhood: Grabbatsch hat Angst um die Einheit Europas, die die Einheit seines Vaterlandes schützend umgeben soll. Als er die inneren Grenzzäune niederreißen ließ, galt sein Interesse allerdings dem Vaterland, es in einem größeren Ganzen, in einem Europa der Vaterländer, zu verankern. Vielleicht träumt er jetzt davon, als bestünde die Einheit Europas in einem umfassenden abendländischen Geist. Dabei besteht sie nur im Geld. Doch was gilt mir die Einheit Europas, wenn der einzige Wert, der zählt, die Währung ist, der Euro? Und doch brauchen wir diese Einheit, um zur Einheit der Welt vorwärts zu schreiten. Diese aber muss dann von der Achtung vor der Natur getragen sein und nicht vor dem Mammon.

Thatchel: Mister Grabbatsch hat sich stark verausgabt und bedarf jetzt großer Schonung.

Redhood: Gäb es keine Ratscher und Ramscher und Co, es stünde wohl besser um ihn.

Thatchel: Aktiv Politik zu gestalten, ist sehr schwer, verehrte Mrs. Redhood. Seien Sie froh, dass Sie noch aus der zweiten Reihe heraus wettern und wüten dürfen.

Redhood: Wer heute Politik macht, muss die Geldpolitik ganz zuvorderst bedenken. Das aber tun Sie nicht. Sie meinen, das Geld wäre hierzulande vorrätig und wartete nur auf Sie. Und doch schreibt der liebe Gott auch auf krummen Zeilen gerade.

Thatchel: Und wer ist der liebe Gott?

Redhood: Wer anders als ich?

Santi: Ja, wenn sich die beiden Damen so gut alleine unterhalten, dann wollen wir sie auch nicht weiter stören. (sie pfeift, dann versinken die Damen und Brooks kommt)

3. Szene: Brooks

(Die Brooks kommt herbei)

Brooks: Haben mir die gnädige Frau gerufen?

Santi: Es betrifft die beiden Damen, auf die sie mich aufmerksam gemacht haben. Als mir ihre Aufdringlichkeit und störrische Art etwas zu groß geworden, habe ich sie der Versenkung anvertraut, wo sie abgeschieden und ungestört von aller Welt Zeit haben, sich neu zu sammeln. Führt eine Ihrer Anlagen auch nach da drunten hinab?

Brooks: Sehr wohl, gnädige Frau.

Santi: Nun, so stellen Sie uns die Leitung an, damit wir wissen, was es da zu besprechen gibt. Man kann ja nie wissen, ob man es noch einmal braucht.

Brooks: Sehr wohl, gnädige Frau. (weggehend) Die Damen kennen mich ja schon als Dachdeckerin und Dachabdeckerin des Hauses. Sie werden sich nicht wundern, wenn ich ihnen nun auch noch als für die Haustechnik zuständig erscheine. Heutzutage muss man klug und wendig und anpassungsfähig und ein ganz klein wenig auch verschlagen sein.

7. Akt: Wie Nil Santi sich mit Murdoch im Park ergeht und dann zu ihren Damen eilt

1. Szene: Murdoch unterwegs im Park, der das Haus umgibt

Murdoch: Ich habe ihn mir angesehen, in seiner Rüstung auf dem Pferd, oder besser gesagt, eingesperrt in seinem Rittergerüst. Da schaut er nun wahrlich nicht wie ein großer und unbesiegbarer Schlachtenlenker drein, der eben die entscheidende Schlacht, die Mutter aller Schlachten zu seinen Gunsten entschieden hat. Und seine Rechte, die er nach den ihm Entgegenschauenden ausstreckt, strahlt auch alles andere aus als Zuversicht und Sicherheit.

Santi (ihn einholend): Vergessen Sie nicht, mein lieber Murdoch, dass vom großen Reiter in der Staatskunst gilt, was einst auch vom Ritter der Minne gegolten hat: dass er sich ellenden muss.

Murdoch: Hatte er denn nicht genug, was ihn elend hätte machen können? Aber was er für den Adler des Zeus gehalten hatte, das hat sich ihm als eine Täuschung erwiesen, auch wenn er es immer noch nicht wahrhaben will. Und deshalb sitzt er jetzt da droben, bis er einsehen gelernt hat, was für eine Jammergestalt er ist. Ein mühseliges Schicksal, ein großer Mann zu sein.

Santi: Große Männer haben es noch nie leicht gehabt. Sie passen nicht in jede Schublade, weder in die der Schule noch in die des Lebens.

Murdoch: Doch sagen Sie mir, wie kam er her und wie nahmen Sie ihn auf?

Santi: Unsicher und mutlos, bar jeglicher Selbstbewusstheit erschien er vor unserer Tür. Nicht wie ein siegreicher Feldherr, vor dem die Armeen der Feinde hätten weichen müssen und der auch noch die Siegesfahne in entferntestem Feindesland gehisst hätte, eher wie ein vom Schicksal geschlagener Mann, dem der Feind nachsetzt und sei es über die fernsten Meere. Dankbar, dass wir ihm Asyl gewährten, setzte er den Fuß über unsere Schwelle. Meine Mädchen meinten, er erinnere sie an ein zum Lernen untaugliches Büblein, das man aus der Schule gejagt hat und das dann obendrein noch von seinen Mitschülern gehänselt und auf alle und jede Weise böse behandelt wurde und das hier nun bei seiner Mama Schutz und Obdach sucht. Hätte er auch nichts gesagt, so hätten ihn seine Blicke doch allesamt verraten. Kaum etwas verrät ja einen unsicheren Menschen mehr als seine Blicke. Wie die Notsignale eines untergehenden Schiffes muteten sie mich an.

Murdoch: Ich kenne das. Muss ich sterben schreien diese Gesichter. Und man weiß kaum etwas darauf zu antworten, als dass man ihnen zulügt: Betet!

Santi: Er hatte gehofft, ob seiner großen Taten und Verdienste von Jung und Alte anerkannt und gelobt zu werden. Doch nichts von alledem war geschehen. Nach einer kurzen Flamme der Begeisterung war das Feuer schnell wieder erloschen und er, enttäuscht zurückgeblieben, musste sich nun anhören, wie sich die Stimmern mehrten, die gar davon sprachen, es wäre besser gewesen, er hätte die Hände nicht an dieses Werk gelegt, die Zeit hätte ohne ihn, ohne sich zu überstürzen, alles noch viel schöner und besser zu Stande gebracht. Er, der vom Wein der Unsterblichkeit getrunken hatte, musste plötzlich erkennen, dass er nichts mehr bedeutete. Er musste plötzlich einsehen, dass er nicht mehr wusste, wozu er überhaupt da war. Ein sinnloses Leben schien er plötzlich geführt zu haben.

Murdoch: O da verlernt einer schnell, auch noch sich selber zu erkennen. Da gehst du schnell deiner selbst verlustig. Kennst du dich selber nicht mehr, wie soll dich da dein bester und letzter, dir übrig gebliebener Freund noch wiedererkennen? - Und dann übergaben Sie ihn ihren Mädchen zu den Reitstunden?

Santi: Nicht gleich. Schließlich wissen wir zu unterscheiden, ob ein großer Mann zu uns kommt, den ein geheimes Leiden quält, oder ob einer sich nur noch ausleben und auslöschen lassen will. Hier aber kam einer zu uns, der einer sorgfältigen und subtilen Zuwendung bedurfte.

Murdoch: So hätten Sie sich selber seiner angenommen?

Santi: So ist es. Nimmer sollte er allein sein. Nimmer leiden. Die Neider wollte ich von ihm fernhalten. Ihn das sanfte Vergessen lehren. Sie dürfen mir glauben, dass ich weder Zeit noch Aufwand gescheut habe, ihn wieder zu sich zu bringen. In meiner Nähe sollte er sich ausruhen und erholen, an meiner Seite wieder Mut und Sicherheit gewinnen, in meinen Armen sich fassen, um dann neu gestärkt dem Kommenden entgegen zu treten. Ihm wollt ich Mütterchen sein und er sollte mir Väterchen sein. Das war es, was ich zu erreichen suchte. Alsbald aber zeigte es sich, wie schwierig die Verwirklichung meines Programms war. Oftmals schaute er mich an, als müsste ich zugeben, dass er versagt habe. Dann aber wieder schien mir, als wisse er selber nicht, wo er sei und als hingen Sinn und Glück seines Lebens nur von mir und meiner Bewertung ab und sonst von nichts und niemandem. Freilich hütete ich mich, ihm auch nur einmal Recht zu geben und ihm einen seiner Wünsche zu erfüllen. Zumal den Wunsch, ihn als einen Versager zu erklären, ließ ich nie und nimmer zu.

Murdoch: Wenn einer sich nicht mehr verstehen und ausstehen mag: wer soll ihn denn dann noch verstehen?

Santi: Allenfalls in einem höheren Sinn, lieber Murdoch.

Murdoch: Falls die Jahrtausende alten Zuckungen noch immer in uns lebendig sind.

Santi: Sie sind es, und sie werden es bleiben, bis der letzte Mann von der Erde gegangen ist.

Murdoch: Nun gut. Doch weiter!

Santi: Mochte es ihm im Augenblick auch ein Bedürfnis sein, sich erniedrigt zu sehen, so sah ich doch den Widerspruch, der dahinter stand und unter dem er litt. Musste ich nicht damit rechnen, dass er mich, wenn ich mich dazu verleiten ließe, ihn als Versager abzustempeln, auf der Stelle als einen Verräter von sich stieße? Im Übrigen aber sind wir ja auch nicht dazu da, zu zerstören und zu zertreten, sondern, wenn sich schon kein Weg zurück mehr finden sollte, doch wenigstens zu einem würdigen Abgang zu verhelfen.

Murdoch: Alle Mann abtreten! Heißt es da beim Militär.

Santi: Sie können sich denken, dass ich mir manch einen Tag bequemer und angenehmer hätte vorstellen können. Aber ich verbat es mir, darüber nachzudenken und tat meine Pflicht; ja ich ermahnte mich zu echter Zufriedenheit.

Murdoch: Und da kam Ihnen der Gedanke an eine große Hochzeit?

Santi: Ganz so war es nicht. Er selber half mit beim Zustandekommen dieses Gedankens.

Plötzlich will er nicht mehr Mama zu mir sagen. Er sträubt sich, er weigert sich. Jetzt führe ich ihm die Mädchen zu, vorsichtig, versteht sich. Allein, auch die Mädchen stößt er von sich. Er will weder mehr reiten noch auch beritten werden, wie ihm früher noch behagte. Niemanden will er sehen. Alles ist ihm fremd, er auch sich selber. Ein Herumirrender in der Fremde ist er! Als wandelte er nur noch wie ein Schatten über die Erde.

Murdoch: Und Ihre Mädchen?

Santi: Seien Sie dessen gewiss, dass sie ihm allezeit heiter begegnet sind. Doch genügte das nicht, ihn wegzuholen vom Ort seiner Bekümmernisse. Täglich wurde es nur noch schlimmer.

Murdoch: Was kann man da tun, wenn keine Heilung mehr möglich ist?

Santi: Quod ferrum non sanat ignis sanat. Quod ignis non sanat, nuptiae sanant.

Murdoch: Und da kam Ihnen der Gedanke an eine Art Abtritts-Hochzeit?

Santi: Hochzeits- und Leichenfeiern sind so verschieden nicht. Jedenfalls gehören sie grundsätzlich zusammen. Leben und Tod, Mister Murdoch. Doch nun gehen Sie! Ich muss noch rasch bei meinen Kleinen nach dem Rechten sehen. Eine Unterrichtsstunde steht noch an, für die ich mir heute aber nicht viel Zeit lasse. Dann sehen wir uns wieder. Denn dann steigt die Feier.

2. Szene: In der Ankleide

(In einem Ankleidezimmer sind die Mädchen, alles junge Männer, mit der letzten Vorbereitung ihrer Toilette beschäftigt.)

Fratzki: Habt ihr´s gehört: sie muss noch rasch bei ihren Kleinen nach dem Rechten sehen!

Schatzki: Das sind wohl wir.

Fratzki: (imitierend) Eine Unterrichtsstunde steht noch an, für die ich mir heute aber nicht viel Zeit lasse.

Krapschki: Gestriegelt und gespornt stehen wir bereit. Keine Prinzessin könnte schöner zu Recht gemacht sein als wir.

Schatzki: Bereit zur großen Verabschiedungsfeier für unseren Freund Grabbatsch! Großer Besuch ist ja auch angekündigt.

Schmatzki: Lassen wir uns überraschen, wenn die Weltelite an unseren Augen vorbeidefiliert.

Tatzki: Einen leichten Patron haben wir jedenfalls nicht zu verabschieden. Wie viel mal musste ich ihm eine kleine Züchtigung zuteil werden lassen, ohne dass es etwas half!

Krapschki: Nein, der Abschied wird uns nicht allzu schwer fallen.

Schatzki: Immerhin wollte mir der Grabbatsch gestern Abend noch 10 Euro in die Hand drücken. Ein paar Tränen traten ihm dabei in die Augen.

Krapschki: War er so gerührt von seiner eigenen Hochherzigkeit?

Schatzki: Sein Blick ging durch mich hindurch, wie durch eine Fensterscheibe, durch die man nach draußen auf die Straße schaut.

Schmatzki: Da sah er dann wohl jemanden.

Fratzki: Da hast du doch hoffentlich dankend abgelehnt.

Krapschki: Mädchen wie wir haben schließlich auch eine Ehre, wenn auch die Santi nicht viel davon hält. Wer nicht selber für seine Ehre sorgt, der ist verloren; für den sorgt niemand.

Schmatzki: Doch still. Kommt sie da nicht schon?

3. Szene: Spiel im Spiel

Fratzki: (vor die Türe tretend, um nachzuschauen; wenn sie wieder hereinkommt, spielt sie die Nil Santi)

Fratzki (als Santi): Meine Damen! Sind sie alle so weit?

Alle: Alle sind wir so weit.

Fratzki (als Santi): Und Sie, Miss Schmatzki! Haben Sie auch ihr betörendes Rouge für unseren Grabbatsch aufgetragen?

Schmatzki: Aber sicher.

Fratzki (als Santi): Dann komm einmal her und zeig mir dein Kussmündchen!

Schmatzki: Hier bring ich es Ihnen.

Fratzki (als Santi): Die Lippen noch etwas herzförmiger herausstrecken.

Schmatzki: Ist es so Recht?

Fratzki (als Santi): Die Oberlippe muss noch fleißig geübt werden, bis ein wundervoll kirschrotes Kussmündchen herauskommt. Hat sie vor dem Spiegel geübt?

Schmatzki: Sehr wohl, Madame.

Fratzki (als Santi): Und wo ist Miss Krapschki? Wo steckt sie?

Krapschki: Hier, gnädige Frau!

Fratzki (als Santi): Sie sieht ja noch aus wie eine Schlampe.

Krapschki: Was haben Sie zu beanstanden, gnädige Frau?

Fratzki (als Santi): Soll das gerichtet sein für das große Fest?

Krapschki: Wir hatten noch Gäste. Ich konnte nicht schneller.

Fratzki (als Santi): Faule Ausrede. Tatzki bring den Tatzenferl!

Krapschki: Eine Dame betatzen! Muss das sein?

Fratzki (als Santi): Ja, das muss sein. Ordnung muss sein. Ein Mädchen muss stets fein gemacht und adrett sein. Wer mag ein Mädchen im Arm, das statt nach dem Duft edlen Parfüms nach Knoblauch und Kuhstall stinkt? - Und nun zeig sie uns den für Männer unenträtselbaren Blick des Weibes!

Krapschki: Aber gnädige Frau. Hier vor allen anderen Mädchen soll ich das zeigen, geprügelt wie ich bin?

Fratzki (als Santi): Vorwärts! Nur keine Genanterie! Soll das der Blick sein?

Krapschki: Ich bin ja noch auf der Suche.

Fratzki (als Santi): So etwas muss abrufbereit sein, sicher vorrätig, eingeübt. Weiß Sie wenigstens, ob sie dabei ihr Mäulchen fest geschlossen halten muss oder leicht geöffnet? Soll es das sein?

Krapschki: So wie jetzt könnte mein Blick dem Gewünschten nahe kommen.

Fratzki (als Santi): Das? Das ist doch nichts als der unterwürfige Blick einer Hündin.

Fratzki (als Santi): Und nun zu Schatzki!

Schatzki: Hier bin ich!

Fratzki (als Santi ): Wie siehst du denn aus?

Schatzki: Ich habe noch mein Krokusmäntelchen ausgebessert.

Fratzki (als Santi): Gewiss, die Präsentation ist wichtig. Doch hättest du dich etwas mehr beeilen können! (tatzt sie ab) Wie man ein schönes Geschenk schön verpackt, so kommt auch eine schöne Frau erst durch eine schöne Verpackung optimal begehrenswert zur Geltung. Dabei hat ein Kleid gegenüber der Verpackung eines bloßen Geschenks noch den Vorteil, dass man die schöne Frau darinnen gleichsam erahnt und begehrt, selbst wenn die Seele noch außerhalb des Körpers weilt. Jawohl, Kleidchen erzählen von dem, was darunter steckt. Und sind sie nur entsprechend raffiniert geschneidert, so singen sie die Lieder der großen Erwartung. - Und wie steht es um den Ausdruck, den das Gesicht eines Mädchens ausstrahlen muss? Wie haben wir es gelernt?

Schatzki: Soll ich das auch noch sagen?

Fratzki (als Santi): Wer sonst!

Schatzki: Gnädige Frau haben gesagt, dass man das Gesicht, das bewundert werden soll, auch selber bewundernswert finden muss, und wenn man es anfangs auch nicht ausstehen könnte.

Fratzki (als Santi): Und weiter?

Schatzki: Das Mädchen muss etwas haben, was manch eine Frage beim Betrachter erstehen lässt. Vor allem aber muss sie etwas haben, was nie vollkommen zu erraten zu sein scheint. Ein Mädchen, das sich erraten lässt, oder von dem man meint, man habe es erraten, taugt nichts. Durch träumerisch verträumtes Anschauen, versonnene Augenblicke und stille Blickabwendungen soll sie dem Betrachter zu verstehen geben, dass sie über sehr vieles nachgedacht hat, dass sie aber, gemäß dem Spruch der Weisen, allemal das Schweigen dem geläufigen Dahinreden vorzieht.

Fratzki (als Santi): Und wie erreicht man das, dass man nicht vollkommen erratbar zu sein scheint? Schatzki?

Schatzki: Muss ich denn alles wissen? Fragen Sie doch auch mal eines der anderen Mädchen!

Fratzki (als Santi): Von dir will ich es wissen!

Schatzki: Nun, so sage ich denn, dass man von sich selber überzeugt sein muss. In keinem Augenblick darf man den Mantel der Selbstachtung bei Seite legen.

4. Szene: Santi kommt dazu

(Santi kommt herein)

Santi: Meine Damen, es ist sehr spät geworden, so dass wir auf den heutigen Unterricht verzichten müssen. Haben Sie alles parat für die nun kommende große Feier?

Alle: Alles ist parat.

Santi: Auch die Varianten für den Abgang?

Alle: Auch diese Varianten haben wir einstudiert. Auf alles sind wir gefasst und eingestellt.

Santi: Dann lassen Sie mich noch ein paar grundsätzliche Dinge wiederholen, Ihnen, denen es obliegt, groß und klein zufrieden zu stellen; vor allem aber den sogenannten Großen, d.h. den an ihrer Größe Laborierenden zu einem gesegneten Abtritt zu verhelfen. Gerade hier kommt es auf die rechte Behandlung an. Eine Dame, die sich mit Männern beschäftigt, muss ganz genau wissen, was für Zweibeiner das sind, mit denen sie sich einlässt. Als erstes sage ich, dass die Männer ohne uns Frauen niemals wissen können, wer sie sind. Allenfalls dass sie uns durch ihr Imponiergehabe dies glauben zu machen versuchen. Rumort es im Mann und seine Begehrlichkeit macht ihm zu schaffen, dann läuft er gleichsam in seiner angestammten Grundform einher, in der Grundform des nachtaktiven Tiers, das ebenso zum zärtlichen Schmusen fähig ist wie zum blutrünstigen Zubeißen. Diese Form ist auch heute noch immer erkennbar. Selbst unter dem Anzug aus den feinsten schottischen Garnseiden ist noch dieses Tier deutlich zu erkennen, roh und unkultiviert und ungeschliffen, durchaus aber auch domestizierbar. Zeigt dem Mann, dass es nicht nur die Jagd gibt und den Krieg und den Bramarbas, sondern auch den anmutigen ausgeglichenen Gesellschafter, den heiteren Gastgeber und munteren Tänzer mit seiner Körpersprache! Wo aber keine sexuelle Begierde herrscht, da besteht auch nur wenig Tendenz, sich durch eine außerordentliche Arbeit bemerkbar zu machen. Was aber die zweite Grundform angeht, so kommt der Mann auch oft daher und sucht nach seiner Mama. Meist geschieht das auch im Anschluss an seine Bedürfnisstillung. Da erscheint er dann in seiner zweiten Grundform: dem schutzbedürftigen Kind. Sonst aber, etwa auf Gesellschaften, bei öffentlichen Feiern und überhaupt in der Öffentlichkeit sehen wir den Mann gern als den Beschützer und Besitzer seiner Frau. Da tritt er auf als ein sanft und souverän lächelnder, um alles sich kümmernder und um alles wissender Herr Papa. Fast als wollte er allen anderen Weibchen bedeuten, dass es in seiner Umgebung nichts gibt als eine ewige Reihe köstlich sorgenfreier Tage. - Und nun kommen Sie! Ein Stück Schwerstarbeit liegt vor ihnen.

8. Akt: Das große Fest

1. Szene: Im Festsaal

(Festsaal. Vorn im Saal mit Fackeln geschmückte Stufen, die zu einem Podest führen, auf dem, von Vorhängen verhüllt eine Reiterstatue steht. Rechts und links auf den Stufen stehen die 5 Damen. Daneben, symmetrisch angeordnet ein praktikabler Eselskopf und ein Cäsarenkopf. Santi mit den 5 Damen betritt den Thronsaal. Sie zieht den Vorhang auf. Man sieht jetzt Grabbatsch gefesselt auf dem Pferd, das in der Größe bzw. Höhe verändert werden kann.)

Santi: Und nun zur Sache! Und zwar dalli, dalli! Rasch den Damensattel umgeschnallt und die Büffelmaske hübsch vors Gesicht!

(Die Mädchen machen den Grabbatsch, samt dem Drum-herum zu Recht. Ein goldener Damensattel wird vor Grabbatsch montiert.)

Santi: Und jetzt wird er noch ein wenig zurecht gemacht, damit er auch als ein großes Kerlchen in Erscheinung treten kann.

Grabbatsch: Ich will nicht zurecht gemacht werden und ich will auch nicht als ein großes Kerlchen in Erscheinung treten!

Santi: O er will! Und wie er will! Das ist die Hauptsache!

Schatzki: Stell er sich vor, wir richteten ihn für einen Theaterauftritt oder für eine Fernsehshow!

Grabbatsch: Zum Teufel mit eurer Show.

Tatzki: Nun gut. Wer nicht auftreten will, tritt eben ab!

Schmatzki (den Damensattel auflegend): Darauf aber wird er doch wohl gespannt sein, wer die stolze Reiterin ist, die vor ihm sitzen wird.

Grabbatsch: Weg damit! Hierher kommt kein Sattel!

Schmatzki: Er will doch wohl nicht, dass die Dame hinter ihm aufsitzt. "Oder will er´s machen wie die Narren, die aller Welt den Platz anweisen hinter sich ("Poenulus)?"

Grabbatsch: Weg damit!

Schmatzki: Pfui Grabbatsch. Das ist der Brauch nicht, sich so schäbig zu benehmen. Und nebenbei bemerkt: so berückend ist sein Rücken auch nicht, dass man die Augen nicht mehr von ihm weg brächte.

Schatzki: Wenn er schön lieb und artig ist, darf er heute Abend auch zur Mama kommen.

Grabbatsch: Ich will aber nicht zur Mama kommen.

Krapschki: O doch, er will schon! Er weiß es nur nicht mehr. Er hat es schon wieder vergessen. Erinnere er sich nur an die wundervollen Zungenküsschen!

Grabbatsch: Ich mag eure Zungenküsschen nicht.

Krapschki: Das sind die allerleckersten Küsschen, die jemals von einer Jungfrau zu haben waren. Selbst Andromeda, als sie am Fels angeschmiedet auf ihren Perseus wartete, hatte keine besseren auf Lager.

Schmatzki: Schön still jetzt halten! Jetzt kommt nämlich die edle Büffelmaske. Was auch wäre ein Mann wert ohne ein Büffelgesicht? Jeder Hergelaufene könnte ihm da ins Gesicht sehen! Nur so wird er ein alle bezauberndes, rätselhaftes Reitermodel.

Grabbatsch: Weg damit!

Schmatzki: Du kleiner Schlingel! Als hätten wir ihn nicht verstanden. (ihm den Spiegel vorhaltend) Nun, sieht er nicht ganz entzückend aus?

Grabbatsch: Schlangenbrut!

Schmatzki: Büffelbrut meinte er wohl.

Tatzki: Wir können nämlich auch ganz zauberhaft sein. Nicht wahr?

Schatzki: O ja. (zeigt etwas Reizendes von sich)

Schmatzki: Noch etwas Rouge auf seine Wange und eine Spur Bleiweiß auf die Augenlider! Und die Wimpern hübsch artig verlängert!

Grabbatsch: Ich mag das nicht.

Schatzki: O, wie sehr er das mag!

Santi: Er wird sich jetzt zusammenreißen und unsere Gäste empfangen, wie es sich für einen angehenden Weltkaiser ziemt.

2. Szene: Beginn des Festes

Santi: Und nun, meine Damen, nehmen Sie Aufstellung, damit wir die hohe Gesellschaft in den Festsaal bitten! Ich höre, wie sie sich schon ungeduldig vor unseren Türen drängen.

(Die Damen ergreifen die Fackeln und stellen sich auf die Stufen)

Santi: (mit einem Stock dreimal auf den Boden klopfend, zu einer virtuellen Menge) Meine Damen und Herren. Schweigen Sie still! Denn nun eröffnen wir die Feier für seine Exzellenz, Mister Grabbatsch, den Vater des Vaterlands, den Schöpfer Europas, den Mitgestalter des immerwährenden Friedensreichs in dieser unserer Welt. Es ist zugleich die Feier seines Geburtstags, welche auch die Feier seiner Trauung und Kaiserkrönung sein wird. Nicht zuletzt aber ist es die säkulare Feier, wo ihm als dem Architekt und Gründer Europas von der Weltstaatengemeinde der Titel "Der Große" verliehen wird, den Herr Grabbatsch ab sofort ungeniert mit sich und vor sich hertragen darf.

Saaldienerin (während leise Flötenmusik beginnt): Der erste Mann der Welt, der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika mit seiner Gattin.

Santi: Verehrter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, hochzuverehrender John mit Ihrer werten Gattin Jaqueline. Seien Sie uns herzlich willkommen! Ich muss wohl niemanden darauf aufmerksam machen, dass der mächtigste Mann der Welt unsere schlichte Villa beehrt!

Präsident: Dank Dir, Nil Santi, du ewig dir gleichbleibendes, junges Haus. (zu Grabbatsch) Und Du, göttlicher Augustus unserer Tage, sei uns gleichfalls gegrüßt!

Saaldienerin: Der Reeder Onassis und seine Frau Anastasia!

Santi: Die huldselige, reizende Frau Anastasia. Allerliebster Athanasi! Seien auch Sie uns willkommen. Wenn man bedenkt, dass du der reichste Mann bist, der je gelebt hat, und wenn man dann deine Frau neben dir sieht, wie sie durch ihr golddurchwirktes Kleidchen hindurchstrahlt: das raubt einem wahrlich den Verstand!

Anastasia: Dank, vielen Dank! (für sich) Wenn es nur auch ihm noch den Verstand raubte, dem Verstandlosen!

Onassis: Mein lieber Grabbatsch. Wie charmant er sich vor uns noch versteckt hält! Als würden wir ihn nicht mehr kennen!

Saaldienerin: Stalin, der Beherrscher der Sowjetunion.

Santi: Was für ein Prädikat haben wir für Sie, verehrter Stalin?

Stalin: Väterchen Stalin nenn ich mich. Das genügt vorerst.

Santi: Wie bescheiden die wahre Größe doch einherkommt!

Stalin: Schön, dass Sie mich eingeladen haben, ich wär sonst von allein gekommen.

Santi: Schön auch, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein lieber wackerer Krieger.

Stalin: Es war mir ein Vergnügen.

Santi: Und so leger, wie er daherkommt, in seinem selbst noch den Hals keusch umhüllenden Parteikittelchen. Hat die Zarenknute zu Hause gelassen! Nett nett!

Stalin: Hatte Angst, Ihre zarten Jungfrauen zu erschrecken.

Santi: Wie Sie uns mitgeteilt haben, konnten Sie Ihre Frau nicht mitbringen.

Stalin: Hatte ein wenig Halsweh. Schade, dass ich sie zu Haus lassen musste. Doch nur keine Sorgen! Der Pope betet für sie.

Santi: Seien Sie uns herzlich willkommen!

Stalin: Und das da auf dem Ross ist der Festtagskaiser? Darf ich Ihnen sagen, was mir dabei einfällt?

Santi: Sprechen Sie!

Stalin: Eine Frau ist ein Esel, wenn ein Mann sie bereitet; und ein Mann ist ein Kamel, wenn eine Frau ihn bezwingt.

Santi: Und keinen Glückwunsch an Grabbatsch, unseren Jubilar?

Stalin: Den würde keiner meiner Sklaven auch nur am nächsten Laternenpfahl aufhängen. Lassen Sie mich zuerst die lieben Untertanen begrüßen. (zum Cäsarenkopf) Wenn du meinst, du kämest zuerst dran, so hast du dich getäuscht. (er verneigt sich vor dem Eselskopf) Ich bin nämlich Demokrat. Und Demokraten, das sind die, von denen unser werter Fritz gesagt hat: Verstand ist stets bei wenigen nur gewesen. Das hindert uns wackere Demokraten aber nicht, auch mit wenigem Verstand vorlieb zu nehmen. Oder glauben Sie mir etwa nicht? Lüg ich etwa? Bin ich denn ein Heide? In jeder Gesellschaft steckt ein Esel. Selbst in der Gesellschaft der allerhöchsten Politiker, die meinen, ganz allein die Geschicke der Welt bestimmen zu müssen. Das glauben Sie mir nicht? Dann schauen Sie sich doch um. Ihr Nachbar hat den Esel neben sich schon entdeckt. Und wenn Sie immer noch auf der Leitung stehen, so befragen Sie zuhause Ihren Computer. (zum Cäsarenkopf) Aber dir, alter Freund, will ich auch noch was sagen. Um den Cäsarenkranz zu erwerben, braucht man nämlich wenigstens eine Eselsgeduld. Das kann dir sogar der Grabbatsch bestätigen. Da gilt es abzuwarten und stille auf der Lauer zu stehen, bis endlich der rechte Augenblick gekommen ist, wo du zuschlagen kannst. Und selbst dann sollte man nicht so frivol und leichtsinnig in den Senat rennen, zumal an den Iden des März. Wenn die Frage auftaucht, ob Brutus oder ich: sag ich immer: Brutus! Da hab ich nicht den leisesten Zweifel. Aber der Ruhm der Cäsaren und die Entrückung in den siebenten Himmel ist nichts für fromme Eselsköpfe.

Santi: Unseren Jubilar jetzt bitte!

Stalin: Aber klar, unser Jubilar. Hat schon ein Schmollmündchen, weil wir ihn missachtet haben? (zu Grabbatsch) Immerhin ist unser Bub apart gestylt; eigens für die Geburtstagsparty zugerichtet - oder heißt es hier in Old-Germany abgerichtet? Mit dem modernen Look-out der Büffelmaske. Das erinnert schon mal nicht an Ochs oder Esel. Und dann ist doch immerhin noch einmal was aus dem wilden Westen zu sehen, ehe der wilde Osten an die Reihe kommt. Das zeugt von historischem Sachverstand und Einfühlungsvermögen. Gratulation!

Santi: Nehmen Sie Platz, Väterchen, dass wir fortfahren können.

Stalin: Fahren Sie nur fort und lassen Sie sich nicht stören!

Saaldienerin: Der Parteivorsitzende der chinesischen Volkspartei, Herr Ai Ai Dsun.

Stalin: Was hab ich nicht gesagt? Nach mir der wilde Osten! Jetzt kommt er ja schon mit seiner Sintflut von Schlitzaugen!

Santi: Der Parteivorsitzende der chinesischen Volkspartei, Herr Ai Ai Dsun. Schön, dass Sie sich die Zeit genommen haben.

Ai Ai: Man macht, was man kann.

Santi: Überhaupt kommen Sie goldrichtig.

Ai Ai: Draußen im Hof warten zwei meiner Begleiter mit einem Präsent. Zwei Bürgerrechtler mit einer Mao-Bibel in Schweinsleder gebunden, in Goldschnitt.

Präsident: Sind es auch Bürgerrechtler und keine Wirtschaftsspione?

Ai Ai: Mister Präsident, ich darf doch bitten!

Santi: Lassen wir die Bürgerrechtler noch etwas warten mit den Präsenten. Sie aber sind doch von Haus aus gelernter Bankkaufmann?

Ai Ai: So ist es, gnädige Frau.

Santi: Wollen Sie bitte hier Platz nehmen, neben Väterchen Stalin!

Stalin: Ist mir eine entzückende Freude, fast als drückten mich schon die Geburtswehen.

Saaldienerin: Murdoch, Medienzar und Mogul. Ein enger Freund des Jubilars, mit seiner Sklavin und Filmdiva Brooks.

Santi: Was für ein Mann! Mogelt sich als Medienmogul einfach so in unsere Reihen! Und doch! Was wäre die Welt ohne das Salz aus Ihrem Salzfass! Jawohl, meine Damen und Herren. Herr Murdoch ist nicht nur einer der größten Verleger. Durch seine Arbeit hat er unserer Demokratie ganz neue Seiten abgewonnen und Impulse gegeben. Es ist gewiss nicht zu viel gesagt, wenn ich behaupte, dass er gleichsam der Masse ein neues Mitbestimmungsrecht gegeben hat. Ihm ist es zu verdanken, dass jetzt nicht mehr so leicht über die Köpfe des Volks regiert wird, sondern dass von nun an auch die Oberen aufpassen müssen, dass sie nicht zu stark vom Volk regiert werden. Auch die Kaiserkrönung ist eine Erfindung seines nie müde werdenden Geistes. Momentan ist er auch noch der Hüter der europäischen Währungsreserven.

Murdoch: Hüter der Schulden, gnädige Frau, bin ich. Verdammt zum Kassenwart und zum Insolvenzverwalter. Wenn ich also ein paar Milliarden im Jahr verdiene, verliere ich ein paar hundert Milliarden im Gegenzug. Um nur selber kein armer Schlucker zu werden, bin ich inzwischen wie ein Midas gezwungen, alles zu Geld zu machen, auch Hochzeiten und Begräbniszirkusse.

Santi: Doch wollen wir darüber jetzt nicht lamentieren. Kommt Zeit, kommt Rat!

Murdoch: Wenn sie nur nicht zu spät kommt, diese Zeit des Rates.

Santi: Begrüßen Sie jetzt bitte Ihren Freund!

Murdoch: Kommen wir denn jetzt zu dir, Grabbatsch! Auch wenn wir uns damals getäuscht haben, als wir glaubten, du kämest uns als Geist des Rates und der Stärke, als Wunderrat und starker Gott. - Haben Sie auch die Kamera parat, verehrte Brooks?

Brooks: Es kann losgehen!

Murdoch: Mein lieber Grabbatsch! Dennoch ist es schön, dich hier wiederzusehen. Du weißt ja, dass du es mir zu verdanken hast, dass du hier sein darfst. Mehr sag ich nicht. Dafür aber, dass du mich eingeladen hast, werde ich auch alles tun, dich in mein neuestes Buch der berühmtesten Männer aller Zeiten aufzunehmen. O, da wirst du staunen, was für einen Bestseller das geben wird. Was die Bilddokumentation angeht, so habe ich schon die Brooks dazu eingespannt. Die Requisiten kommen dann ins Museum für welthistorische Raritäten.

Grabbatsch: Du Geldmacher! Du Wucherer! Du Judas.

Murdoch: So hast du noch nie mit mir geredet.

Grabbatsch: Hätt ich mich nur nie von dir verschaukeln lassen!

Santi: Was redet er da? Nur Mut, Grabbatsch! Nur Mut! Es ist das Beste, was dem Menschen widerfahren kann, der nach Verherrlichung trachtet.

Grabbatsch: Nie wollte ich verherrlicht werden.

Murdoch: Dabei habe ich dir einen Cheque mitgebracht. Ein Chequechen, zum Abschlecken, sag ich nur! Selbstverständlich mit einem Plus vor der Zahl. (zu Santi) Das darf ich doch wohl noch sagen.

Santi: Der Nächste bitte!

Murdoch: Darf ich nicht wenigstens noch ein kleines Schlusssätzchen dazu fügen?

Santi: Dann aber schnell!

Murdoch: Fortan brauchst du keine Kollekten mehr abhalten für deine Partei, altes Haus. Und es werden auch keine Unwetter mehr wegen kleiner Spendenaffären über dein Haupt ziehen. Die Tage sind vorbei, wo du dich im Vergessen üben musst.

Santi: Und nun der Nächste!

Murdoch: Überhaupt: wenn da ein Schauspieldichter wäre, der sich vorgenommen hätte, der Welt ihr Gesicht zu zeigen, so wie es heute ist! Wie könnte er das? So frag ich mich. Wo wir in einer Welt leben, die ihr Gesicht verloren hat und die nur noch von anonymen Mächten beherrscht wird, die uns wie Marionetten tanzen lassen.

Santi: Und nun der Nächste!

Saaldienerin: Seine Heiligkeit, der Heilige Vater, der Papst

Stalin (zu Murdoch): Da darf man gespannt sein, ob wir nun gleich eine Marionette zu uns hereintanzen sehen!

Santi: Es ist uns eine außerordentliche Ehre, Sie bei uns zu begrüßen. Sie glauben ja nicht, Eure Heiligkeit, wie gern ich Sie mit einem Scherzchen oder einem kleinen Kalauer willkommen hieße. Und doch will mir jetzt, wo ich einen so nötig hätte, keiner über die Lippen.

Papst: Warten Sie ab, gnädige Frau, bis Ihnen der Papst zeigt, wie einem ein Scherzchen über die Lippen geht!

Santi: Haben Sie die Kronen für unser Brautpaar mitgebracht?

Papst: O ja, gnädige Frau.

Santi: Schon geweiht?

Papst: Alles schon geweiht. Und außerdem habe ich dem Jubilar auch noch meinen aufrichtigsten päpstlichen Segen mitgebracht.

Stalin: Ihren Segen hängen Sie aber bitte an der Garderobe auf!

Murdoch: Und zwar so, dass er nicht in einer Stunde schon schief hängt.

Grabbatsch: Ich brauch keinen Segen!

Papst: Mein Segen ist sehr viel wert. Er ist unbezahlbar.

Murdoch: Merk dir das, Grabbatsch! Schön freilich wäre auch, wenn alles Unbezahlbare zugleich auch sehr viel wert wäre. Dann bezahlten sich die Schulden, die mich erdrücken, gleichsam von selbst und ein Land, das nicht horrende Schulden machte, wär doch schön blöd.

Santi: Wegen Murdochs Benehmen, muss sich Eure Heiligkeit keine Gedanken machen. Auch sein Umgang mit der Brooks, seiner Gehilfin, muss Sie nicht stören. Sie müssen wissen, dass der Murdoch der Brooks nicht ins Gehege kommt, weil nämlich beide Homos sind.

Murdoch: Mussten Sie das dem heiligen Vater erzählen?

Santi: Er muss Sie ja nicht gleich an die Brust nehmen und heilig sprechen; aber er wird es ertragen, da bin ich mir ganz sicher, zumal wenn er an so einen Check denkt, den Sie dem Grabbatsch geschenkt haben. Seine Heiligkeit ist nämlich auch ein inniger Freund geschenkter Checks. Und besser geschenkte Checks und etwas Homosexelei als Mord und Todschlag.

Stalin: Darf ich noch vermelden, dass auch ich dem Grabbatsch etwas mitgebracht habe? Ferien mit mir zusammen auf meiner Datscha. Da spielen wir immer Schach. Dabei aber stellt sich heraus, wer sich als nächster erschießen darf. Verliert mein Gast, so bleibt ihm nichts übrig; dann muss er sich erschießen. Gewinnt er aber, so gewähre ich ihm die Gnade, sich erschießen zu dürfen. Mitunter aber, wenn einer kommt, der absolut nichts vom Schachmatt wissen will, versuche ich ihn in theoretischer Dialektik. Da hab ich doch übrigens jüngst von einem unserer bedeutenden Schriftsteller etwas Feines gehört, was ich zu einer Falle ausgebaut habe.

Santi: Meine Damen und Herren, warten Sie noch mit den Geschenken. Wenn die Einsegnung vorüber ist, ist noch Zeit genug.

Stalin: Den Schachmatt-Ignoranten frage ich also, ob das Vaterland seine Mutter sei. Sagt er nein, hat er sich als ein Vaterlandsverräter geoutet und ist erledigt, sagt er aber ja, dann muss er mir zugeben, an ihren Brüsten auch gesaugt zu haben. Sie verstehen doch wohl, was damit gemeint ist. Wenn man so macht und so (Bestechungsgesten etc.) Das aber steht keinem Privatmann zu, nur der Partei und dem, dem es die Partei genehmigt.

Santi: Rufen Sie den nächsten Gast herein!

Saaldienerin: Monsieur Delacroix.

Ai Ai: Das ist sehr spannend, was Sie da erzählen, Kollege Stalin. Nachher beim Bankett müssen Sie mir noch mehrere dieser Tipps geben. Wir in China sind noch ziemlich rückständig in solchen Sachen.

Santi: Wer kennt ihn nicht, der sich schon als Hofmaler Napoleons einen Namen gemacht hat. Er weiß, wie man es anzustellen hat, ein Bild zu entwerfen, an dem man auch noch in hunderttausend Jahren seine Freude hat, falls man da noch lebt. Seien Sie uns herzlich willkommen, verehrter Meister! Was macht die Kunst?

Delacroix: Was sie mit uns macht oder wir mit ihr?

Santi: Wie geistreich! Delacroix, ist eben nicht nur ein weltberühmter Maler! Er ist auch ein gescheiter und geistreicher Kopf.

Ai Ai: Dabei hat ihn der Preußenkaiser, Kaiser Wilhelm einen Rinnsteinkünstler genannt.

Stalin: Das waren die alten Narben und Ressentiments wegen Napoleon.

Ai Ai: Ja gewiss. Den Frieden von Versailles hat er sich damit nicht erspart.

Stalin: Und der danach kam, hat von entarteter Kunst geredet und hat den Frieden von Jalta und Potsdam kassiert.

Delacroix: Auch Ihnen, liebe Santi, gilt mein Gruß, so wie allen Ihren Gästen. Und natürlich unserem großen Helden Grabbatsch! Er darf wohl noch nicht hervortreten?

Santi: Er hält noch die Krönungswacht.

Stalin: Bei mir ist der Herr Maler noch nicht vorbeigekommen, ein Porträtchen anzufertigen.

Santi: Wir haben Monsieur Delacroix eingeladen, damit er uns die Feierlichkeiten im Festbild festhält. Sie müssen sich also gar nicht scheuen, wenn er nachher wie ein großer Velasquez die Leinwand entfaltet und den Malerpinsel ergreift. - Haben Sie sich schon mit Mister Grabbatsch abgestimmt, dass alles auf dem Bild ist, was er drauf haben will, und alles wegbleibt, was ihm missfällt?

Delacroix: Wir haben noch nicht darüber gesprochen; doch kann das jederzeit nachgeholt werden.

Santi: Mister Grabbatsch?

Delacroix: Nein, er will jetzt nicht. Lassen wir ihn nur ungestört bei seiner Krönungswacht!

Santi: Sie müssen nämlich wissen, meine Damen und Herren, dass seine Majestät Bonaparte, der französische Kaiser, schon im voraus wusste, wie das Bild auszusehen und wer wo im Bild zu erscheinen hat. Alles war da bis ins Kleinste durchexerziert. Selbst das Gesicht seiner Heiligkeit, wenn ihm der Kaiser die Krone aus der Hand nehmen und er sie sich selber aufs Haupt setzen würde, war im Beisein des Kaisers durchexerziert. Wenn sie nicht machen, was mir gefällt, sind Sie morgen Landpfarrer oder kopfloser Märtyrer, soll er zu ihm gesagt haben. Nun war aber seine liebe Mutter nicht zu den Feierlichkeiten erschienen. Manche behaupten, sie habe seine Heiligkeit kommandieren wollen; wie ihr großer Sohn hatte nämlich auch sie ihr eigenes Köpfchen. Unser Delacroix war da in Verlegenheit. Denn der Platz für die Mutter war schon fest bestimmt, in der Nähe seiner Heiligkeit. Den Kaiser aber focht das wenig an. Hier, sagte er zu Delacroix, hier ist der Platz der Mutter und da halten sie sie auch fest, ob sie nun da ist oder auch nicht.

Delacroix: Ich war da ganz schön in der Bredouille. Die Alte versprach mir nämlich, ich dürfe mich dann Graf oder Herzog de la Croix nennen, ganz wie ich wolle.

Jaqueline: Und wie wird sich die Krönung hier vollziehen?

Santi: O, lassen Sie sich überraschen, gnädige Frau.

Jaqueline: Mein Mann hat mir gesagt, es werde mich erfreuen. Nicht wahr, John?

Präsident: O yes!

Jaqueline: Wenn nur nicht diese Tussi da wäre, die ich nicht ausstehen kann. Sie stört mich, wann immer mir einfällt, dass ich sie nicht ausstehen kann.

Murdoch: Ich bin überzeugt, Monsieur Delacroix: diesmal werden Sie noch etwas viel Grandioseres aufs Papier bringen, als nur eine so lahme Aktion, wo sich ein Korsenpirat ein Krönchen raubt. Vor allem der Hintergrund ist bedeutsam. Während Grabbatsch demütig sein Haupt zu neigen scheint, kämpft man ihm im Rücken gegen eine Legion Schmeißfliegen, die von drei Legionären des Teufels angeführt werden: von Mister Ratscher, Ramscher und Rauch. O, es ist ein verruchter Kampf, den er da zu bestehen hat. Da kann er die Hilfe eines jeden Mitkämpfers brauchen.

Stalin: Und wenn er zu nichts mehr wert wäre als zu Kanonenfutter. Ist es nicht so, Mister Grabbatsch?

Saaldienerin: Der König und die Königin von England.

Santi: O ja. Jetzt kommt das Heer der gekrönten Häupter: alle die vielen Könige und Königinnen, die Prinzen und Prinzessinnen, vom zartesten Babyalter bis ins hohe Greisenalter hinauf. Sperren Sie alle Türen auf! Alle, habe ich gesagt! Alle sollen sie hereinkommen, ohne dass wir jemand von ihnen eigens begrüßen. Sonst dauert uns die Begrüßung noch eine geschlagene Woche! Willkommen die Könige und Königinnen von England und Irland und Schottland und Wales, von der Beringstraße bis zum Hudson-bai, nebst den Prinzen und Prinzessinnen von Mauretanien bis Madagaskar, wie auch alle Gräfinnen und Großherzoginnen, die Kleinherzoginnen und die Häuptlinginnen bis zur allerkleinsten Deichgräfin von Holland. Wir bitten sie alle, zwanglos und schnell hereinzukommen und Platz zu nehmen!

Während dem aber mögen unsere entzückend aufgeputzten Dämchen ihre Fackeln beiseite stellen und ohne lang zu fackeln ihr Ständchen darbringen! Singt nun also, ihr Mädchen, aus voller Brust dem Held des Vaterlands das angekündigte Ständchen!

Damenchor:

O Held des Vaterlands sei uns gegrüßt

Wer hätte je wie du das Leben uns versüßt

durch deinen Mut, durch deine Heldentaten,

du wackrer Held auf steilen Heldenpfaden!

 

Zum Götterhimmel wandelst du entzückt,

bis dir der Wurf, das große Werk geglückt.

Dir jubeln zu die Männer und die Frauen.

Komm her und lass dein Heldenantlitz schauen!

Santi: Nun, was sagen Sie zu meinen Mädchen? Haben sie nicht ergreifend gesungen?

Alle: Bravo, bravissimo!

Stalin: Der Gesang gab Gelegenheit, uns die reizend seduisanten Dorfschönen näher anzusehen: sowohl das, was sie die Güte haben uns zu zeigen, als auch das, was wir unter den hübsch zurecht gemachten Toilettenfähnchen erahnen. Man sehe nur auf ihre Füßchen, wie niedlich sie zum Trippeln geschaffen! Und die Gesichtchen, wie schelmisch bald, bald voll Verlangen. Da behaupte ich kess: wer das leugnet, ist ein Schurke und Sünder.

Ai Ai: Ich las einmal, mit den Kostümen der Schönen verhalte es sich wie mit der Kunst: Sie sollen gerade so viel sehen lassen, dass nichts zu wünschen übrig bleibt.

Stalin: Und erst die leckeren Schnäutzchen! Unsere Tartaren früher hätten ihnen die Schnäutzchen mit dem Messer abgeschnitten und zu Schwartenmagensalat angemacht aufgefressen.

3. Szene: Der Große und die Ehe

Santi: Wenden wir uns nun unserem Jubilar zu! In unserem Festzeremoniell ist für ihn jetzt eine kleine Ansprache reserviert, ehe wir die große Überraschung bekannt machen, dass sich Herr Grabbatsch ab sofort der Große nennen und diesen Titel mit sich und vor sich her tragen darf.

Präsident: Das haben noch nicht viele Gauner geschafft. Alexander fällt mir da ein. Und jener Friedrich von Rossbach

Stalin: Und Katharina, die Blutrünstige, die uns Deutschland gütigst geschenkt hat.

Papst: Und Leo, der Vatikanese

Santi: Würden Sie so nett sein und uns jetzt ein paar Worte sagen, Mister Grabbatsch?

Grabbatsch: Nein!

Santi: Das macht nichts.

Grabbatsch: Wenn Sie mir einen Gefallen tun wollen, so lassen Sie mich aufstehen und den Saal verlassen.

Jaqueline: Aber, aber! Mein lieber Grabbatsch! Fühlt er sich nicht wohl in seiner Haut?

Anastasia: Was hat er nur?

Ai Ai: Wahrscheinlich passt ihm das Kleid eines Großen der Weltgeschichte noch nicht recht. Das soll es geben. Grabbatsch, der Große! Daran muss er sich erst noch gewöhnen.

Santi: Davon kann überhaupt nicht die Rede sein. Wie man im Kino Filmgrößen mit goldenen Bären auszeichnet, so werden hier große Staatsmänner ausgezeichnet.

Stalin: Und dann trägt er ja noch die Büffelmaske. Das ist die begehrteste Trophäe aller Staatsmänner seit Alexander dem Großen.

Ai Ai: Grabbatsch, der Große. Der Büffel von Europa. Legt man den unter eine Guillotine und lässt sie heruntersausen, so merkt er es erst, wenn er tot ist.

Santi: Sie müssen unseren Jubilar entschuldigen. Die 40 Tage Vorbereitung waren für ihn eine sehr lange Durststrecke. Davon hat er sich noch nicht ganz erholt. Wahrscheinlich hatte er seinen Mops nicht bei sich.

Stalin: Mag er sich trösten, wenn er erst verheiratet ist. Da haben wir noch ganz andere Durststrecken hinter uns gebracht.

Anastasia: Ist die Ehe für ihn ein so heikler Schritt? War er nicht schon einmal verheiratet?

Präsident: Dann sollte er schon genug Erfahrungen gesammelt haben, um nichts mehr falsch zu machen.

Santi: Seien Sie unbesorgt. Er meint ja alles ganz anders, als er es sagt. Wo auch hätte es je ein Genie gegeben, das nicht auch hin und wieder durch kleinere Eigensinnigkeiten und Marotten und Widersprüche auf sich aufmerksam gemacht hätte? Sehen Sie, wie ihm aus den Augen die Fliegenbeinchen heraus zucken? Seien Sie aber nur nicht beunruhigt. Es sind nichts als Zweifel, die die Großen auf ihrem großen Weg befallen. Der Kleine kennt diese Zweifel nicht. Er fühlt sich wohl. Er meint, alles müsste so sein, wie es ist. Der Große aber weiß, dass die Welt kaum mehr ist als ein unstrukturiertes Chaos.

Jaqueline: Gleichwohl lieben wir Mister Grabbatsch, den Großen.

Anastasia: Lasst uns ihn sanft aber bestimmt mit unserem Willen fesseln! Und wenn das nichts nützt, dann beten Sie für ihn, heiliger Vater!

Papst: Wir alle sind nur Hilfsarbeiter im Dienste der alles verschlingenden Zeit.

Präsident: Bravo, heiliger Vater! Wohl gesprochen!

Santi: Wenn unser Grabbatsch nicht will, haben wir immer noch als ultima ratio unsere technischen Hilfsmittelchen. Ich darf die Gesellschaft unsrer werten Gäste nun also um Stillschweigen bitten. Es singt jetzt unser Jubilar der große Staatsmann Mister Grabbatsch sein Selbstlob!

Grabbatsch: Nichts sing ich. Keinen Punkt und kein Komma.

Ai Ai: Geniert er sich etwa. Das muss er wirklich nicht.

Stalin: Fürstenstühle blieben noch nie unbesetzt. Oder ist es nicht so eure Heiligkeit. Selbst für den päpstlichen Stuhl hat sich noch immer einer gefunden. Und manchmal waren es auch zwei oder drei.

Onassis: Da war der heilige Geist gerade mit etwas anderem beschäftigt.

Santi: Und Sie, Delacroix, halten den weltgeschichtlich so bedeutenden Augenblick in der hohen Kunst fest! Zeichnen Sie unseren Jubilar in der Pose des Augustus von Primaporta, wenn er uns jetzt sein großes Selbstlob vorsingt. Meine Damen und Herren! Nehmen Sie Haltung an! Sie hören jetzt Mister Grabbatsch! (Stille) Nein, er singt. (Stille) Hören Sie es nicht, wie er in den höchsten Tönen sein Jubellied schmettert. (Stille) O Tag des Heils, wie wunderbar hat das doch unser Grabbätschle gemacht.

Stalin: Das hätt ich ja fast auch dichten können.

Santi: Aber eben nur fast, Väterchen Stalin.

Ai Ai: Und ich erst. Wie ich ganz China hinter der chinesischen Mauer eingesperrt halte, das sollte mal einer sehen! Dann wüsste er, wie unnachahmlich ich bin!

Santi: Ja, meine Damen und Herren, jetzt erst, ganz allmählich werden sie erfassen, warum sich so hohe Prominenz hier versammelt hat. Das gebietet der Takt, da unser Jubilar selber einer der größten Staatsmänner unserer Zeit ist; hat er sich doch der Frage nach dem Geschick unserer Heimat Erde wie noch nie einer vor ihm gestellt. Dabei aber vermerken wir mit Angst und Schrecken, wie der Beruf des Politikers mehr und mehr an Attraktivität verliert, zumal bei uns hier in der westlichen Hemisphäre. Bedurfte man lange Zeit einer außerordentlichen Berufung und Gottes Erwählung, so ist er heute kaum mehr als ein kleiner Job oder gar nur noch die Eintrittstüre zu einem späteren lukrativen Job in der Wirtschaft. Doch genug all der wenig schönen Dinge. Erheben wir das Glas! Lassen wir den Mann hochleben, der mit seiner Berufung und seinem Charisma noch zu seinen Lebtagen als Schöpfer des modernen Vaterlands in die Geschichtsbücher eingehen wird! Lassen wir den Mann hochleben, der es endlich geschafft hat, das christliche Abendland in einen noch größeren Raum einzubetten, in eine humane, allesumfassende, multikulturelle Gesellschaft! Ja, lassen wir den Mann hochleben, der es geschafft hat, der weiten Welt, dem gesamten Erdenglobus unser Vaterland neu zu schenken wie auch die weite Welt und den gesamten Globus uns als Vaterland!

4. Szene: Monroe singt

Santi: Doch was seh ich denn da! Welch entzückender Anblick! Was für eine Paradiesesmaid erscheint hier zum Geburtstag unseres Grabbatsch! Auf die er schon so lange, so sehnlichst gewartet hat. Endlich ist sie im Kommen, sein Augentrost und Himmelsmanna, sein Honigseim und Rauschgetränk, sein Würstlein und sein Käslein. Meine Damen und Herren, wenn Sie wüssten, was für ein Genuss ihnen jetzt bevorsteht, wenn die Maid ihre holde Stimme erhebt. Still doch!

Monroe: (sie kommt in den Saal mit Dienern oder Dienerinnen, die eine Riesentorte hinter ihr her tragen. Dann singt sie schmalzig und schmachtend)

Happy birthday to you

Happy birthday to you

Happy birthday, Mister Grabbatsch,

Happy birthday, to you!

Santi: Nun, was sagen Sie jetzt, meine Damen und Herren? Ist das nicht über alle Maße bezaubernd?

Onassis: Was für ein wundervolles Lied. Wie einmalig und überwältigend! Wie tiefsinnig und aussagereich! Wie man nur etwas derart künstlerisch Vollkommenes zum Ausdruck zu bringen vermag! Ohne Mithilfe der Musen, so meine ich, ist das unmöglich. Finden Sie nicht auch, Frau Jaqueline?

Jaqueline: O ja.

Präsident: Meine Frau Jaqueline konnte nicht anders, als vor Bewunderung dahin zu schmelzen, als meine süße Monroe mir dieses Lied damals zum Geburtstag sang, nachdem ich uns das weiße Haus erobert hatte. Nicht wahr, meine teuerste Schätzin!

Jaqueline: Darüber möchte ich jetzt nicht sprechen.

Ai Ai: O, wir sind stolz darauf, in einer Zeit zu leben, wo man etwas derart Exquisites zu hören bekommt.

Murdoch: Wirklich eine Maid, wie sie echter nicht sein könnte.

Onassis: Eine Gazelle, die zur Oasenquelle gesprungen kommt.

Brooks (fotografierend): Und wie sie uns anäugt!

Präsident: Ja, wie der volle Mond, wenn er in der 14. Nacht am Himmel thront.

Stalin: Eine Paradiesesmaid mit ihrem wiegenden Gang und mit der himmlischen Torte, dass man nicht weiß, wohinein man als erstes beißen soll: vorn in die Torte oder hinten in die Maid.

Ai ai: Sphärenmusik kann nicht berückender sein als diese holde Erscheinung.

Jaqueline: Ein Grabbatsch muss man halt sein. Zum Geburtstag so beschenkt zu werden!

Delacroix: Soll ich das auch malen?

Santi: Warten Sie! - Diese wunderbare Maid ist ein Geschenk des Präsidenten von Amerika an Mister Grabbatsch, frisch zur Verehelichung zubereitet, als Anerkennung seiner großen Verdienste um das Heil der Welt.

Anastasia: Heil dem Bräutigam, dessen Schmacht- und Fastenmonate jetzt zu Ende gehen!

Ai Ai: Der kann jetzt aus dem Vollen schöpfen!

Stalin: Kaum kann ich es erwarten, mit der Torte zu beginnen.

Santi: Geduld, mein Herr, bis uns unsere Nachtigall noch ein Geburtstagsliedchen gesungen hat!

Stalin: Am liebsten würde ich ihr den Krieg erklären.

Jaqueline: Der Nachtigall?

Stalin. Der Torte, gnädige Frau!

Ai Ai: Ein Mister Grabbatsch muss man halt sein; dann ist man wer.

Präsident: Da hat der Chinese verdammt Recht. Darf man doch als Grabbatsch behalten, was man selbst als der mächtigste Mann der Welt hergeben muss.

Ai Ai: Nicht einmal in seinem Kleiderspint hätte man seine süße Maus geduldet.

Grabbatsch: Als ob ich euch alle nicht längst durchschaut hätte! (zum Präsidenten) Sie, mein Herr, sind schon lange tot. Erschossen in Dallas. Und die da, das ist auch nicht die Monroe. Das ist die Flöter, Miss Flöter, um mich ganz genau auszudrücken, mit der man mich zu einem Hanswurst machen will.

Santi: Was für Worte, was für Worte!

Ai Ai: Und wenn schon. Miss Flöter hin, Miss Flöter her! Ein großer Staatsmann ist kein Kostverächter. Unser Mao hätte da unbedingt zugegriffen. Der hat nicht lange gefragt, ob eine Schöne ihren Führerschein gemacht hat.

Präsident: Den Führerschein hat die süße Monroe bei mir gemacht. Das kann ich bezeugen.

Jaqueline: Ich leider auch!

Ai Ai: Und er! Mister Grabbatsch, Sie meine ich! Kamen Sie nicht auch hierher, ein Schnäppchen zu machen?

Grabbatsch: Ich habe mich getäuscht.

Ai Ai: Allerdings, statt zu schnappen, wurde er geschnappt! Das haben wir bereits gemerkt. Sitzt er doch da, als hätte er seine Frau beim Treuebruch ertappt.

Stalin: Für einen Mann der Macht taugen keine Ehefrauen, nur Frauen als Freiwild. Er erjagt sie und gebraucht sie und kehrt dann wieder zu seinen Geschäften zurück!

Anastasia: Pfui, Väterchen Stalin.

Stalin: Finden Sie das nicht exakt analysiert?

Anastasia: Ganz und gar nicht. Das sind nichts als groteske Aussagen!

Stalin: Grotesk, aber wahr. Als ich das erkannt hatte, entließ ich meine Gattin.

Anastasia: Und das war dann doch wohl gemein.

Stalin: O gnädige Frau! Ich mach mir da nichts vor. Der Mensch ist und bleibt eine hundsgemeine handfeste Bestie. Dagegen richten Sie selbst mit dem allerniedlichsten Weiberröckchen nichts aus. Wohl dem, der sich nicht zu einer Bestie entwickeln kann, weil er, wie Sie, in einem goldenen Käfig sitzt. Dann ist er eher einem Papagei oder einem Kanari vergleichbar. Im Übrigen ist es ja auch gar nicht so übel, wenn man hin und wieder ein wenig gemein sein kann! Dann lebt man zumindest nicht ganz gegen die Natur. Man fühlt sich wohl und kennt sich aus und vergisst nicht so schnell, in was für einer Welt man lebt.

Santi: Meine Herren, täuschen Sie sich nicht alle ein wenig?

Ai Ai: Gnädige Frau, der Mann der Macht kann sich nicht täuschen und er kann keine Fehler begehen. Denn er ist das Gesetz und seine absolute Verkörperung.

Santi: Und doch finde ich das nicht schön, wie sich unser Grabbatsch da verhält. Geben wir uns solche Mühe und scheuen keinen Aufwand und keine Kosten zu seinem Fest. Und dann brüskiert er uns alle. So geht das nicht weiter, mein Herr! (sie zieht wieder den Vorhang vor)

Murdoch: Das war doch nur ein Scherz, Mrs. Santi. Freund Grabbatsch hat doch nur einen Scherz gemacht!

Santi: Und wenn auch! Es gibt eine Geschäftsordnung; an die haben sich alle zu halten.

Stalin: (hinter den Vorhang spickend) Ziehen wir den eisernen Vorhang wieder auf?

Santi: Der bleibt zu, bis uns Grabbatsch verspricht, aus der Hand zu fressen und zahm zu sein wie ein Vöglein!

Stalin: Bei uns, Mrs. Santi, könnten Sie sich solche Scherze nicht herausnehmen.

Murdoch: Wir lieben die Heiterkeit, Väterchen Stalin. Und Sie müssen doch zugeben, dass ihr privates Leben auf der Datscha auch nicht eben interessant ist. Täglich ein paar Kinder des Todes, täglich ein paar Lustmorde von Freunden und Freundinnen, Erschießungen von Parteigenossen und Parteigenossinnen und solches Zeug! Das ist doch erdrückend langweilig. Da ist unsere Welt entschieden bunter gestaltet.

Stalin: Ordnung muss sein. Nicht wahr, Freund Ai Ai.

Ai ai: Bei uns gäb´s da auch nichts zu lachen.

Santi: Meine Damen und Herren, lassen Sie mich etwas klarstellen! Bedenken Sie doch! Wie kann diese süße kleine Marilyn, diese üppig blühende Schönheit, dieses Geschenk seiner Exzellenz, des Präsidenten der gesamten Vereinigten Amerikanischen Macht, etwas so Prosaisches und Nebensächliches sein wie ein Fräulein Flöter? Fragen Sie sich doch nur selber, ob ein so süßes kleines Geschöpf mit so pfirsichweicher samtener Haut ein gewöhnliches Fräulein aus dem Volk sein kann. Wäre Mister Grabbatsch nicht unser weltberühmter Jubilar, so wollte ich ihn bitten, sich bei unserer kleinen süßen Marilyn zu entschuldigen. So aber möchte ich nur seine Exzellenz bitten, ihm zu vergeben!

Präsident: Ja, wir vergeben ihm! Das ist gut für uns alle heute!

Santi: Also dann! (zieht den Vorhang wieder auf) Dann mag uns die allerliebste Marylin das Geburtstagsständchen vorsingen, auch wenn du, Grabbatsch, eher einen Popobatsch verdient hättest!

Monroe: Soll ich also noch etwas singen?

Santi: Wir bitten darum.

Stalin: Wenn es aber geht, erstens nichts zu Langes, damit die Torte schneller zu uns kommt! Und zweitens mit der schmalzig und schmachtenden Stimme. Das finde ich so schaudervoll schön, als säh ich meine Großmutter auf mich zukommen.

Monroe:

Ich bin die kleine süße Maus,

bekannt selbst noch im Weißen Haus

Und wo mich einer nur erspäht,

sich Innerstes sich um mich dreht.

 

Geheimnis weht aus meinen Blicken

Versprechen himmlischer Entzücken,

dass ich an meinen Busen drücke

und in den Himmel hoch entrücke.

 

Helena einst in langem Gewand

Prinz Paris raubte den Verstand

Ich doch in Kleidchen kurz und knapp

Manch Männerherz gefesselt hab.

 

Und trag ich meine goldenen Schuhe,

lass keinem Mann mehr Rast und Ruhe,

als hätt ich Hermes goldenen Stab,

bezaubere, wen ich will und mag.

 

Und zieh ich meine Schühchen aus

Ich, Marylin, die süße Maus,

dann tanzt um mich das Weltall schön,

vor Freuden will es untergehn.

Santi: O süße kleine Marilyn, wie herrlich ist es doch, wie außerordentlich erhebend, wie in die Himmel hinaufreißend, dir zu lauschen! Wie paart sich in dir Weiches und Straffes, Träumendes und Hellwaches, Dunkles und Blitzhelles, strengste Ordnung und herrlichste Lockerheit! Kein Haar liegt da blass oder falsch in der Frisur, kein Grämmchen ist da zu viel, und doch ist alles so, als wäre es über Nacht erstanden. Alles stimmt da aufs herrlichste überein: der Umfang der neckisch schwankenden Hüften mit dem Umfang des Leibes und des Busens bis hinauf zum Umfang des Libanon-Halsturms. Und was die Länge angeht, die Länge der gesamten Gestalt bis hin zu der Länge der Finger und der Fingernägel, ja selbst bis zur Länge der sorgfältig gepflegten Augenwimpern und der Brauen: da ist alles so, als könnte es nicht anders sein; und doch ist da nichts dem Zufall der Natur überlassen. Göttlich wie die Kypris kommt sie daher, wenn sie von den Charitinnen gepflegt, der goldenen Wanne entsteigt

Stalin: Ein Pfennighürlein vom Basar der Venus.

Ai Ai: Aber, aber. Was für Worte, Väterchen Stalin!

Stalin: Wenn ich ein Kirchenvater geworden wäre, hätte ich sie noch zu Lebzeiten selig gesprochen.

Ai Ai: Das muss nun auch nicht unbedingt sein. Es gilt Maß zu halten in allen Dingen.

Stalin: Und wenn ich ein großer Dichter geworden wäre, hätte ich sie so angedichtet: Gleich, Allersüßeste, gleich belutsch ich dich. Darf ich dich also bitten, Allersüßeste, mir wenigstens ein Stück von der Torte zu servieren?

Monroe: Mit dem größten Vergnügen! Vielleicht sollte ich aber mit dem Geburtstagskind beginnen?

Santi: Gewiss. Beginne mit dem Geburtstagskind!

Stalin: Das bin ich nicht gewohnt, dass ich, wenn ich ausdrücklich danach verlange, nicht das erste Stück bekomme. Oder soll ich mir es erjagen?

Ai Ai: Gedulde dich. Dafür bekommst du das größte!

Präsident: Gebe Gott, dass der Grabbatsch es zu würdigen vermag, wenn er das erste Stück bekommt.

Onassis: Man wird ihn aber durchs Visier füttern müssen!

Jaqueline: Selig der Mann, der aus dieser Hand Tag für Tag sich füttern lassen darf!

Monroe: Mister Grabbatsch, darf ich Ihnen dieses zarte Stückchen kredenzen?

Grabbatsch: Danke, Frl. Flöter, ich habe keinen Appetit.

Santi: Schon wieder dieses Fräulein Flöter! Nein, Grabbatsch, das ist nun wirklich nicht die feine Art.

Onassis: Was machts? Dann bekomm eben ich ein Stück Torte mehr.

Jaqueline: Das hätte ich nun aber nicht gedacht. Wo er ein klassisch gebildeter Hellene sein will.

Anastasia: Da wird sie noch staunen.

Onassis: Wo es etwas Gutes gibt, bin ich nie weit entfernt.

Stalin: Und ich erst! Ich war auch einmal Klosteradept.

Santi: Auch entlaufene Klosterbrüder bekommen genug.

Stalin: Das Entlaufen war anstrengend. Das kostete Kraft. Immerhin war ich zum Kirchenlehrer vorgesehen.

Ai Ai: Weil aber die Welt China nicht mehr vergessen kann, deshalb bekomme ich zwei Stück Torte.

Santi: Jeder der hier anwesenden Männer bekommt zwei Stück. Meine Damen, helfen Sie doch der kleinen Marylin! Und achten Sie darauf, die Stücke entsprechend zierlich zu proportionieren, dass jeder Mann zwei köstliche Stücklein erhält! Wenn es aber gleichwohl nicht reichen sollte, haben wir ja noch den Spezialisten unter uns, der uns im Handumdrehen eine wunderbare Kuchenvermehrung produziert. Nicht wahr, heiliger Vater?

Papst: Ihr Wunsch in Gottes Ohr!

Stalin: (zur Fratzki, die ihm ein Stück Torte reicht) Schönes Kind. Wie ist ihr entzückender Name?

Fratzki: Miss Fratzki.

Stalin: Wie doch der Name so herrlich zu dem Gesichtchen passt.

Fratzki: Passen Sie auf, dass Sie mich nicht berühren. Wer mich berührt, der muss mit mir schlafen. Ich bin nämlich eine Frau.

Stalin: (indem er Fratzkis Po betätschelt ) Das hat sie sich aber fein ausgedacht, das darf ich doch sagen. Und doch darf ich bitten, jetzt auch noch von der zaubersüßen Monroe, der Königin der Herzen, ein dickes und fettes Stück überreicht zu bekommen.

Fratzki: Da kommt sie ja schon.

Monroe: Hier, mein Herr!

Stalin: Dafür könnte ich sie jetzt küssen und köpfen! (sie festhaltend) Gestatten Sie mir ein freies Wort, meine Damen und Herren. Jede Frau ist prinzipiell für den Mann ein Wunder. Aber gestatten Sie mir hinzuzufügen, dass leider nicht alle Frauen diese schöne Gabe, ein Wunder zu bedeuten, durchs Leben mit sich nehmen. Die meisten verlieren sie nach und nach an der Seite ihres Herrn. Abgerichtet auf das Wort seiner Majestät, des Patriarchen, der sie sich selber überlässt, ohne Sorgfalt auf die Entwicklung und mit einer Pflege, die kaum über die einer Hündin in ihrer Hütte hinausreicht: was kann da herauskommen?

Santi: Wenn es der Präsident erlaubt, so führe ich jetzt das Fräulein Monroe dem Mister Grabbatsch zu und bitte sie, Platz zu nehmen, auch wenn er es nicht verdient hat.

Präsident: O yes. Wenn es meine Frau erlaubt, erlaube auch ich es.

Jaqueline: Nur, wenn du auch meine zarten Beziehungen zum Thanasi gebührend berücksichtigst.

Präsident: Streiten wir uns nicht! Was mich betrifft, so bin ich ohnedies ohne Fehl und Tadel, werde ich doch schon bald ermordet.

Santi: Meine liebe Monroe! Ich bitte Sie jetzt, Platz zu nehmen auf dem Kaiserinnenthron. Das ist auf dem vergoldeten Sattel vor unserem Grabbatsch. Von nun an wird auf Ihren Höschen nicht mehr stehen "Eigentum des amerikanischen Präsidenten", sondern Eigentum des Mister Grabbatsch.

(die Monroe steigt auf das Pferd und nimmt Platz. Dann drückt sie einen Knopf, so dass Pferd und Reiter zusammenfahren und so klein werden, dass die Monroe sie gewaltig überragt.)

5. Szene: Beim Sekt

(Die Damen des Hauses reichen jetzt Sektgläser)

Santi: Trinken wir auf das Wohl des schönsten Paares auf der weiten Erde!

Murdoch: Ja, trinken wir auf das Wohl des schönsten Paares auf der weiten Erde!

Alle: Ja trinken wir!

Stalin: Und auf die Höschen!

Santi: Zum Wohl, meine Damen, zum Wohl meine Herren!

Alle: Zum Wohl, Mrs. Santi!

Onassis: Ich wünsche mir aber, dass auch unser Jubilar mit uns trinkt!

Grabbatsch: Trinkt ohne mich!

Monroe: Dann gibt es auch keine Kleiderschau!

Santi: Sieben wundervolle Kleidchen haben wir für die Braut bereit liegen, Kleidchen, von denen schon ein einziges genügt, den härtest gesottenen Mann um den Verstand zu bringen.

Die Frauen: O, das wäre jammerschade.

Santi: Das wäre allerdings jammerschade.

Stalin: Wenn ich dieser Mann sein sollte: ich brauche keine verstandraubenden Kleidchen. Aber ein paar gut geräucherte Bodenseefelchen wären jetzt schon nach meinem Geschmack. Und nach dem Champagner dann noch eine Menge fetter Schwartenmagen und saftiger Schinken. Die Schweine Moskaus sind nämlich nicht halb so prächtig wie die vom Bodensee. Zum Wohl, meine Damen und Herren!

Ai Ai: Zum Wohl!

Murdoch: Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich Ihnen jetzt erklären, wo der Sekt so köstlich ihren Hals kitzelt, warum der Verbrauch der Frauen selbst bei ganz bescheidenen Politikern schon immer immens war.

Papst: Nein bitte nicht. Kommen wir zur Sache! Auch ein Papst hat nicht beliebig viel Zeit. Wo ich schon auf die tägliche Zeitung und all den Medienpopanz verzichte.

Murdoch: Das ist aber ein großer Fehler, Eure Heiligkeit! Da wissen Sie ja gar nicht, was man von Ihrer Sexuallehre hält.

Papst: Ich bin bestellt, eine Trauung vorzunehmen. Oder ist es nicht so?

Santi: Jawohl, so ist es; auch wenn das Alter unsere Bräutigams nicht eben mehr das allerfrischeste und jugendlichste ist. Aber frisch gewagt ist halb gewonnen.

Papst: Kann ich davon ausgehen, dass der Bräutigam auch will?

Santi: Fragen wir doch den Bräutigam!

Stalin: Ja, fragen wir ihn doch! Und wenn er nicht will, dann zum Teufel mit ihm!

Santi: Nun also. Was haben Sie zu sagen Mister Grabbatsch?

Stalin: Unters Ehejoch oder zum Teufel?

Murdoch: Denken Sie daran, dass das Volk auf etwas Besonderes wartet. Es hat zwar schon viele Prinzessinnen und Königinnen zur Trauung in Kirchen schreiten sehen, noch nie aber eine so spektakuläre Hochzeit miterlebt.

Monroe: Er schweigt. Was soll das heißen?

Jaqueline: Wahrscheinlich hat er Angst vor einer ewigen Bindung.

Monroe: Meine Damen und Herren. Ich finde es unheimlich, hier vor diesem Büffel zu sitzen. Unheimlich und unverschämt!

Anastasia: Das kann man verstehen.

Ai Ai: Fragen Sie doch den heiligen Vater, ob er Jagdscheine für Freiwild dabei hat. Vielleicht kauf ich mir einen.

Monroe: Wenn er mich nicht will als seine hochzeitliche Braut, dann führt er die Braut eben nicht heim. Und das Hochzeitsmahl fällt ins Wasser.

Santi: Wär er ein Sonntagskind, so hätte er seine Chance schon längst genutzt. Aber er hat noch etwas Zeit.

Monroe: Aber nicht mehr viel.

Jaqueline: Es fällt mir schwer, dem Gedanken zu folgen.

Papst: Es wäre mir angenehm, wenn alles etwas schneller vonstatten ginge. Darf ich fragen, wer Trauzeuge ist bei der nun stattfindenden Hochzeit?

Ai Ai: Ai ai, Sire. Der eine der Trauzeugen bin ich.

Stalin: Und der andere bin ich. Wiewohl wir hier entschieden zu viel Lärm machen mit dieser Hochzeit. Das war doch ganz anders, als ich in Potsdam damals und in Yalta die alten Krieger einlud und um mich versammelte. Sie erinnern sich doch noch Ai Ai?

Ai Ai: Ma certo, certo!

Stalin: Manche glauben, sie machten Weltpolitik, wenn sie sich zu einer lächerlichen Hochzeit aufschwingen. Und was machen Sie? Nichts als etwas Radau um das liebe kleine beschissene Ich.

Santi: Bei der Suche nach Trauzeugen ließen wir uns vom Ideal einer Weltmonarchie irritieren.

Ai Ai: Scusi, Sie meinten natürlich, Sie ließen sich inspirieren. Schon Alexander träumte davon, wenn er auch nur eben bis nach Indien kam. Und Cäsar, als er mit Kleopatra buhlte. Wenn aus demselben auch nichts wurde, so hat er doch immerhin durch seine Schlachtengemetzel zu den Grundlagen der romanischen Sprachen beigetragen.

Papst: Zur Sache bitte!

Santi: Gewiss, Eure Heiligkeit.

Stalin: Sind die Ferkel schon über dem Grill?

Eines der Mädchen: Sehr wohl, mein Herr.

Santi: Wir wollten Stalin und Mao als Trauzeugen. Mao liebte über alle Maßen die Frauen. In Maohausen unweit von Peking leben nur reinrassige Kinder und Kindeskinder von Mao. Vielleicht, so dachten wir, gibt es dann später einmal auch so ein Grabbatschhausen?

Ai Ai: Mao aber konnte leider nicht kommen.

Stalin: Sind die Bierfässer schon am Lagerplatz, beim Feuer?

Eines der Mädchen: Sehr wohl, mein Herr!

Papst: So beginnen wir denn mit der Trauung. - Steht auf! - Ehe wir mit dem heiligen Werk beginnen, frage ich die Anwesenden, ob jemand ein Hindernis weiß, weshalb die beiden Leute nicht können zusammenkommen? Er mag hervortreten und es jetzt sagen.

Jaqueline: Was für ein Hindernis sollte sich in den Weg stellen, wenn alle Hindernisse aus dem Weg geräumt sind?

Grabbatsch: Heiliger Vater, ich habe etwas zu vermelden. Wenn du mich hören kannst, so sage ich: Peccavi. Ich habe gesündigt.

Papst: Sei ruhig, mein Sohn. Ego te absolvo. Deine Sünden sind dir vergeben.

Präsident: Aber es gibt doch keine Hindernisse mehr in der Sexualität.

Anastasia: In der Tat. Erst jüngst wäre fast wieder einer christlicher Landesfürst geworden, obwohl er bei einer 16jährigen bösen Flurschaden angerichtet hatte. Als er sie dann aber sitzen ließ, war die Karriere zu Ende. Wegen Kindesmissbrauch und Verführung einer Minderjährigen.

Onassis: O ja, heiliger Vater, der Unmut in ihrem Heimatland ist riesengroß, zumal von Seiten der schwulen Politiker, weil Eure Heiligkeit noch immer nicht begriffen haben, dass jetzt jeder machen kann, was er will.

Murdoch: Vielleicht lässt sich auch der Beginn der Mündigkeit bald noch etwas herabsetzen. Das wäre zu begrüßen. Dank der sexuellen Frühaufklärung sind unsere Jugendlichen heute entschieden viel früher reif.

Stalin: Allah hat das für die Muselmannen freundlicher geregelt. Da klebt nur die Frau am Mann. Der Mann aber ist prinzipiell frei.

Monroe: Bei uns ist die Frau auch frei, einerlei ob sie reif ist oder nicht reif! (sie stürzt den Grabbatsch vom Pferd und sitzt nun allein oben auf)

6. Szene: Die Schwiegereltern

(Man hört ein Auto im Eiltempo herbeifahren und abbremsen)

Präsident: Hier ist ein Auto vorgefahren.

Santi: Na und? Was stört uns das?

Ai Ai: Vielleicht ist das auch so ein Schwuler, der zu seiner Heiligkeit eilt, sich zu bekehren.

Santi: Sieh nach, Schatzki, was es gibt.

Schatzki: Es ist ein Sportcabriolet.

Santi: Ein Sportcabriolet?

Santi: (sie schließt die Vorhänge)

Schmatzki: Zwei ältere Leutchen sind inzwischen ausgestiegen und hasten auf das Haus zu.

Santi: Das könnte denen so passen. Zu spät zu kommen zu einer Feier, zu der wir nur die Prominenz der Welt geladen haben. Doch nur keine Panik! Ich bitte seine Heiligkeit mit den heiligen Handlungen fortzufahren!

Papst: Wärs nicht besser, wir warteten noch einen Augenblick, damit wir wissen, ob der Jubilar und Bräutigam wieder zum Vorschein kommen kann?

(Die Eltern der ersten Frau von Grabbatsch kommen hereingestürmt auf der Suche nach ihrer Tochter)

Mister Habermann: Hans Habermann ist mein Name.

Stalin: Na und? Sind Sie ein Revolutionär, dass Sie so formlos hereingestürmt kommen?

Mister Habermann: Wo ist sie?

Stalin: Nun mal langsam. Gevatter. Wovon spricht er denn?

Ai Ai: In der Tat, als Botschafter scheint er nirgends akkreditiert zu sein.

Santi: Immer muss man uns stören, sobald wir eine große Hochzeit beginnen.

Mrs. Habermann: Wir haben die Schreie unserer Tochter gehört. Nicht wahr, Helmut!

Mister Habermann: So ist es; und zwar hier, in diesem Haus.

Onassis: Sie müssen sich verhört haben, mein Herr.

Mister Habermann: Wir haben uns nicht verhört.

Ai Ai: Wir haben auch nichts gehört. Oder hat jemand von euch etwas gehört?

Präsident: Niemand.

Jaqueline: Wir können ja auch noch den heiligen Vater fragen. Der darf nicht lügen.

Präsident: Hauptsache, mein Mörder Oswald ist nicht gekommen.

Ai Ai: Nur immer tapfer, Mister Präsident. Für die Freiheit der USA muss man auch mal ein kleines Opfer bringen.

Stalin: Sind die Schinken da, ist mir egal, ob ihn eine Kugel trifft.

Ai Ai: Das ist in den USA eben noch immer schlecht geregelt. Bei uns ist das so: wenn einer morden darf, so bin das ich und wem ich die Lizenz erteile! Und wer sich nicht an dieses Reglement halten will, braucht gar nicht zu denken, dass er noch am folgenden Tag lebt.

Mister Habermann: Wo ist der Herr Sohn?

Santi: Welcher Herr Sohn um des lieben Friedens willen?

Mister Habermann: Der Herr Schwiegersohnerr Schwiegersohn.

Santi: Wenn Sie Herrn Grabbatsch meinen, so tun wir Ihnen kund, dass er nicht da ist.

Mister Habermann: Und ob er da ist.

Stalin: Dass er nicht für Sie da ist, meint die Dame. Er bereitet sich nämlich darauf vor, sich der Königin der Herzen anzuvertrauen. Der heilige Vater kann es bezeugen. Er hat die Trauungsgerätschaften schon ausgepackt.

Mister Habermann: Wo steckt er?

Stalin: Der heilige Vater? Da ist er doch!

Ai Ai: Will er ihm den Fuß küssen?

Mister Habermann: Getraut sich Grabbatsch nicht hervorzukommen und sich zu verantworten, Mann gegen Mann, Klinge gegen Klinge?

Santi: Bei allem, was heilig ist! Es gehört sich nicht, dass man ihn jetzt stört!

Stalin: Bei uns in Russland fährt man dann fort: "Jetzt kenn ich mich nicht mehr!" Und dann fährt man aus der Haut.

Ai Ai: Überhaupt, wenn ich dem heiligen Vater etwas sagen darf. Mir oder meinem Vorgänger Mao guten Tag gesagt und die Hand geschüttelt zu haben, gilt heute entschieden mehr, als dem Papst den Fuß geküsst zu haben.

Mrs. Habermann: (will den Vorhang lüften)

Santi: Was suchen Sie da? Die Finger weg!

Stimme Grabbatschs: Wenn Sie mich suchen, mein Herr, so sag ich Ihnen, dass ich da bin. Dass aber der Fall, den Sie verfolgen, schon fast 60 Jahre zurück liegt. Es handelt sich also bestenfalls um eine jugendliche Verirrung. Außerdem kann Ihnen der heilige Vater versichern, dass ich im Vergleich mit anderen Staatsmännern nur sehr selten fremd gegangen bin.

Mrs. Habermann: Es handelt sich um unsere Tochter.

Präsident: Nehmen Sie sich nicht etwas zu wichtig, meine Dame, mein Herr? Schon manch einer hat auf seinen lieben Schwiegersohn verzichten müssen. Das muss man tapfer ertragen. Wofür sonst hätte der liebe Gott die Tapferkeit erschaffen?

Ai Ai: Auch ich möchte hinzufügen, dass es hierzulande kaum mehr eine intakte Ehe gibt. Mag der liebe Gott auch die Menschen als Mann und Frau erschaffen haben, wie der Herr Papst bestätigen kann, so gibt es hierzulande doch keine intakte Ehe mehr, nur noch krüppel- und rüpelhafte Versuche der Selbstverwirklichung. Der Herr Papst wird gut daran tun, alles blindlings einzusegnen, was ihm in die Quere kommt: Katz und Maus und Hinz und Kunz und Pontius und Pilatus. Sonst hat er seine Kirchensteuern gesehen.

Murdoch: Im Übrigen wissen Sie doch selber, Mister Habermann, dass Ihre Tochter längst gestorben ist. Nur noch ein Standbild gibt es in Lateinamerika, das sie als reitende Amazone zeigt.

Mister Habermann: Genug, mein Herr! - Warte Luise. - Erst nehmen wir uns die Memme vor.

Santi: Sie nehmen sich keine Memme vor.

Mister Habermann: Dann eben jetzt noch nicht. Aber verhören muss ich ihn.

Anastasia: Von was für einer Memme ist da die Rede, Thanasi?

Onassis: Still doch! Das wirst du gleich hören.

Mister Habermann: Allen werde ich sagen, was das für einer ist, den sie als den Vater des Vaterlands preisen.

Jaqueline: Glauben Sie nur nicht, dass das Schicksal ihrer Tochter so singulär ist. Das ist die Regel, nichts als die Regel.

Präsident: Aber Jaqueline!

Stalin: Die Story entwickelt sich nicht ganz so, wie wir es uns gewünscht haben. Zu viele Emotionen kochen empor.

Mrs. Habermann: Fast 40 Jahre lang war unsere Tochter mit diesem Kerl verheiratet. Hat mit ihm gegessen und getrunken, gewacht und geschlafen, gebangt und gezittert, gehofft und gelitten, ob es nicht möglich wäre, einmal den großen Tag zu erreichen, wo sie zusammen die Beine ausstrecken und sagen könnten: wir haben es geschafft. Und dann kam plötzlich der Tag und er wurde der Hurenkerl und wurde ein großer Star am weltgeschichtlichen Himmel. Statt des lange ersehnten Glücks begann nun aber das Unglück. Denn nun wurde er unserer Tochter untreu. Um alles hat er sie gebracht, was sie sich in ihrem Leben erwirtschaftet hatten.

Papst: Was Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen.

Ai Ai: Was aber Gott getrennt hat, heiliger Vater, das soll auch kein Mensch mehr zusammenflicken.

Jaqueline: Scheidungen hat es schon oft gegeben. Cäsar, Napoleon und all die vielen Präsidenten und Kanzler, die nun in den Ruhmeshallen und auf den Ehrenfriedhöfen der Geschichte schlummern.

Anastasia: Das ist ja doch auch eigentlich die Regel in der Welt. Ist einer erst glanzvoll hervorgetreten, dann muss er sich auch etwas Glanzvolles an die Seite nehmen. Da reicht die alte Hausmannskost nicht mehr aus.

Mister Habermann: Was schert uns die Welt?

Stalin: Das sage ich auch. Überhaupt, wo ist nur endlich mein Schinken?

Mister Habermann: Mag er auch in den Augen der Welt ein Held sein. In Wahrheit ist er ein Verräter.

Jaqueline: Was will er denn?

Mister Habermann: Meine Damen und Herren, täuschen Sie sich nur nicht, als ginge Sie das alles nichts an. Wer unsere Tochter heiratet, der heiratet auch uns. Und wer sie dann im Stich lässt, der lässt auch uns im Stich. Unsere Tochter hat nie aufgehört, uns zu gehören. Dadurch dass da ein junger Mann daherkommt und seinen Arm in ihren Arm einklinkt, sind die Besitzverhältnisse keineswegs andere geworden. Und hätte er auch unsere Tochter auf Händen getragen, es wäre noch immer unsere Tochter geblieben. Wo er sie aber geschändet und entehrt hat, ziehen wir ihn zur Rechenschaft.

Mrs. Habermann: Ah wie alleine sie doch war, als sie den, den sie über so viele Jahre geliebt hatte, als Verräter erkannte! Da saß sie nun in der Klemme. Um von niemand gefragt zu werden und Auskunft erteilen zu müssen, floh sie die Öffentlichkeit und schloss sich bei uns zu Hause ein; ja sie zog sich in die innersten fensterlosen Räume zurück und härmte sich im Dunkeln. Es dauerte nicht lange, so konnte sie das Tageslicht überhaupt nicht mehr ausstehen.

Mister Habermann: Genug, Luise. Genug. Mehr muss diese Gesellschaft nicht wissen, als dass wir eine Wiedergutmachung verlangen, eine Entschädigung, soweit das überhaupt noch möglich ist.

Murdoch: Und diese Ihre Tochter glauben Sie hier anzutreffen?

Santi: Bitte. Sehen Sie nach. Niemand hindert Sie!

Mister Habermann: O, wir werden sehen.

(er zieht den Vorhang auf. Man sieht den Ritter Grabbatsch noch auf dem Boden liegen, auf dem Pferd sitzt jetzt die Tochter Habermann, die Monroe ist weg)

Mister Habermann: Da, da ist sie ja!

Präsident: Aber da war doch vorhin noch meine liebe Monroe gewesen! Wo ist sie jetzt?

Jaqueline: Deine Monroe?

Präsident: Nur die Habermännische ist noch da.

Ai Ai: Wenn ich meinen chinesischen Schlitzaugen trauen darf, so ist das ein makelloses und reines Wunder, heiliger Vater!

Stalin: Frauen haben es gut, das sag ich dir Ai Ai! Sie müssen sich nur einem einzigen Mann ergeben, während die Männer vor vielen Frauen zu kapitulieren haben.

Mister Habermann (zu Grabbatsch): Karrieremacher, schämst du dich nicht? Mit dem Wohl und dem Seelenfrieden unserer Tochter deinen schändlichen Aufstieg zu bezahlen? Aber das hat er jetzt davon.

Mrs. Habermann: Wenn ich der Größte aller Großen werden könnte, so wollt ichs doch nicht.

Jaqueline: Was sagen Sie dazu, Eure Heiligkeit?

Papst: Früher gab es noch einen Prozess, der sich sehen lassen konnte. Er bestand in Reue, Buße und Vergebung.

Präsident: Meine süße kleine Monroe lass ich mir nicht klauen.

Mister Habermann: Ich bin gekommen, um Mister Grabbatsch die Gelegenheit zu geben, mich um die Hand meiner Tochter zu bitten. Denn dass man sich über meinen Besitz, mein Eigentum, mein Herzblut hermacht und mich ausraubt, das gestatte ich nie und nimmer. Und wenn ich zur Selbstjustiz greifen muss! Bube du, komm her und erbitte sie von mir, auf dass ich dir eine Abfuhr erteile, an die du noch in 1000 Jahren denken sollst. Oder sei verflucht!

Ai Ai: Vom Grab erstanden kommt er hierher, um seinem Schwiegersohn Grabbatsch ein paar Grab-batscher zu verabreichen. Wenn das keine kapitale Komödie ist!

Mister Habermann: O Luise! Verfluch auch du ihn. Überwinde die Erinnerung, dass du einmal stolz auf ihn warst! Und wenn es dir Schwierigkeiten bereitet, so sieh auf den Wurm, der sich da auf dem Boden krümmt.

Mrs. Habermann: Sei denn auch von mir verflucht, auch wenn du schon tausendmal verflucht bist!

Mister Habermann: Und nun komm! Gehen wir! (indem er Grabbatsch einen Stoß erteilt) Mögen Grabbatsch und alle Großen seines Schlags zugrunde gehen! (er geht mit der Frau)

Papst: Dann kann ich ja auch gehen.

Santi: (indem sie den Vorhang wieder zuzieht) Keiner hält eure Heiligkeit fest.

Murdoch: Außer meine Brooks, die hält alles fest. - Oder etwa nicht? Es ist doch alles hübsch dokumentiert?!

Brooks: Alles für die Ewigkeit, wenn die brennende Weltachse zur Hochzeitsfackel geworden ist.

Onassis: Dann kann der heilige Vater dem lieben Gott ja sagen, dass er sich aufs jüngste Gericht nicht mehr vorzubereiten braucht. Komm! (geht mit Anastasia ab)

Jaqueline: (im Gehen mit dem Präsidenten) Wär es dir doch nur auch so ergangen.

Präsident: Was redest du da nur für einen Stuss?

Jaqueline: Ich hätte dann auf den Thanasi und auf die Inseln der Ägäis verzichtet. Vielleicht wäre alles noch einmal gut geworden. (ab)

Stalin: (im Gehen) Nicht einmal einen saftigen Schinken hat es gegeben!

Ai Ai: Tröstet uns wenigstens, dass die Zeit der Politik zu Ende geht. Was nach uns noch Politik betreibt, das sind nur noch Hanswürste und trübe Theatergesellen! Oder ist es nicht so, Väterchen Stalin?

Stalin: Ganz gewiss! - Kommst du mit? Dann schauen wir uns noch ein wenig in Den Haag um. Am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Ich glaube, so heißt das Gericht. Was für Fischlein sie da im Bassin schwimmen haben und wie die Herren und Damen Richter ausschauen, die sich um den Teich herum bewegen.

Ai Ai: Ai Ai, Genosse Stalin. Ich komme mit. (beide ab)

7. Szene: Festredner ohne Publikum

(Ein Festredner kommt in den Saal gerannt)

Festredner: Meine Damen und Herren! (da niemand mehr da ist außer der Santi und Murdoch. Zur Santi) Gnädige Frau! Was soll das bedeuten? Da steh ich nun schon eine geschlagene Stunde draußen vor der Tür und harre meines großen Auftritts und nun sind alle verschwunden?

Murdoch: Wie hübsch und unschuldig mich doch der Dummkopf anschaut! Aber er kommt zu spät. Post festum!

Festredner: Gnädige Frau. Ich erinnere Sie daran, wie Sie mich gebeten haben, diese Rede zu halten. Und jetzt hab ich sie ja wohl nicht einstudiert, um sie wieder zu vergessen.

Murdoch: Er kommt zu spät. Zu spät ist zu spät. Begreift er denn nicht?

Festredner: Noch aber kann ich sie auswendig, Wort für Wort. Und ich geh nicht eher von hier fort, als bis Sie meine Rede angehört haben.

Murdoch: Quo usque tandem abutere. Heilige Madonna von Zitzelstetten! Schon manch einer hat ein Talent mit sich ins Grab genommen, das ihm ein anderer zuvor gern noch abgenommen hätte, um wie viel mehr, wenn es sich um ein total wertloses Talent handelt wie bei Ihnen!

Festredner: Die Menschheitsgeschichte, genauer noch ihr Aufstieg und ihr Fall gliedern sich in drei große Epochen. Die erste, die einem am meisten abverlangte und die auch am längsten dauerte, war die Epoche der Suche nach Sicherheit. Die Epoche der Existenzsicherung. Ihr folgte die Epoche der Suche nach einem Lebenssinn. Und endlich, die wohl kürzeste und letzte Epoche, in der wir längst angelangt sind, ist das Zeitalter der Sinnentleerung, wo man nichts Besseres tun kann, als sich Augen und Ohren zu verschließen, um dann alles aus sich heraus und an sich vorbei rauschen zu lassen und endlich zu verschwinden.

Murdoch: Nun aber troll er sich!

Festredner: Warum?

Murdoch: Weil hier keine Entleerungen stattfinden, weder Sinnentleerungen, noch Blasen- oder Darmentleerungen.

Festredner: Man hat mich hierher bestellt. Madame kann es bezeugen. Madame war es ja selber.

Murdoch: Außerdem, und das kann er selber bezeugen, sind wir in der dritten Epoche der Weltgeschichte angekommen, wo es seine Pflicht ist, endlich zu verschwinden. Und nun kein Wort mehr! Hat er mich verstanden? Oder ich pfeife; und dann kommen ein Dutzend baumlanger Kerle her und schlagen ihn tot.

Festredner: Ich verschwinde ja schon. Aber korrekt ist das nicht. (ab)

8. Szene: Aufräumen

Murdoch: Und nun, Mrs. Santi, lassen Sie sich nicht länger stören und bringen Sie Ihr Haus wieder in Ordnung. Das Aufräumen ist ja bekanntlich die sauerste Arbeit.

Santi: Das Wegschaffen eines Großen dauert allerdings viel Zeit. Ein Großer will bei uns mit vielem Pomp vorsorgt sein. Das schafft man nicht im Handumdrehen.

(sie pfeift) Ich darf Sie bitten, Miss Fatzki, die fälligen Arbeiten an diesem Eselhengst vorzunehmen und ihn dann vorschriftsmäßig in den Stall einzureiten! Und zwar alles ohne Lärm und Aufsehen zu erregen.

Murdoch: Und Sie, Miss Brooks, halten alles schön fest, dass wir das Beste davon verwerten!

Santi: Nicht doch. Mister Murdoch. Die Brooks soll an die frische Luft. Etwas frische Luft schnappen, wird ihr gut tun.

Murdoch: Damit sie mir der Ai Ai noch wegschnappt?

Santi: Damit die Damen hier drinnen ganz ungestört ihren Arbeiten nachkommen können. Und wenn schon die Apparaturen den traurigen Abgang festhalten müssen, wie Sie mir mit Blick auf Ihre Kasse klar gemacht haben, so lassen Sie sie zumindest ohne unser Beisein für ihr geheimes Archiv arbeiten. (Santi schickt die Brooks nach draußen und führt Murdoch in einen benachbarten Raum) Kommen Sie, damit wir nun endlich die Dinge in Angriff nehmen, um deren Willen wir uns dieses riesige Spektakel auf den Hals geladen haben!

Murdoch: Sind Sie sicher, dass die Herren den Weg zu uns zurück finden?

Santi: Ganz sicher. Kommen Sie!

9. Akt: Wie Redhood und Thatchel noch immer nach einen Aufstieg aus der Unterwelt suchen.

Thatchel: Ah, wo sind wir nur? Immer noch ist es hier dunkel. Ich sehe nichts und höre nichts.

Redhood: Was auch sollte sich ändern, wenn alles beim Alten bleibt.

Thatchel: Mir ist es, als befänden wir uns schon 1000 Jahre hier drunten. Und man hätte uns total vergessen. Und wir hätten nur noch die Aussicht, ans Licht zu steigen, um dort zu sterben. Dabei war ich doch einmal die Interimsregentin von Europa.

Redhood: So pflegt es in der Unterwelt zu sein. Immerfort so dunkel und kalt und ungemütlich, dass man nur noch von droben träumt. Geht man aber durch das Tor, so hat man alles abzugeben: Kleider und Schmuck und Hut und Schuhe und Stimme und Gehör, bis man nur noch schlotternde Haut ist und frierende Knochen.

Thatchel: Mein Handtäschchen habe ich zum Glück noch. Doch was nützt mir das, wenn ich nichts sehen kann. Mein Handy hab ich auch nicht bei mir. Wenn ich nur heil wieder hier heraus komme! - Sind Sie aber noch da, Mrs. Redhood?

Redhood: Aber sicher, Mrs. Thatchel. Wo anders soll ich sein, wenn Sie mich hören? Für Sie halte ich mich nur noch in der Nähe meiner Stimme auf.

Thatchel: Noch besser aber wäre es, wenn Sie sich in der Nähe meiner Stimme aufhielten. Das Dumme ist nur, dass es bei mir hier nicht weitergeht. Hier scheint die Welt wie mit Brettern vernagelt.

Redhood: Dann kommen Sie zu mir. Hier ist eine Treppe.

Thatchel: Kommen Sie und holen Sie mich ab! Ich könnte stolpern.

Redhood: Das schaffen Sie schon. Nur Mut, Mrs. Thatchel.

Thatchel: Das schaff ich wirklich nicht. Es wäre schrecklich, wenn ich stürzte und mir eine Blessur zuzöge.

Redhood: Nur Mut!

Thatchel: (kommt zur Redhood) Das war doch kein Zufall, dass wir hier herunter gestürzt sind? Oder?

Redhood: Das glaube ich auch nicht.

Thatchel: Sonst würden wir jetzt den Grabbatsch noch immer hören. Wahrscheinlich hätte er uns etwas Wichtiges zu sagen gehabt.

Redhood: Hätte ich mich nur nie verleiten lassen, diesem Grabbatsch nachzusteigen.

Thatchel: Das war diese Santi. Vermutlich ging die auf Nummer sicher. Die wusste das alles ganz genau und beugte vor. Und jetzt ist Sie nicht mehr bei uns. Oder?

Redhood: Wenn sie auch nicht da ist, so kann sie uns sicher sehen und hören.

Thatchel: Ich würde mich schämen, jetzt irgendwo auf einem Sessel zu sitzen und uns zuzuglotzen.Wenn ich noch einmal aus dem Loch hier komme, soll es mir eine Lehre sein. Wenn es aber kein Zufall war, dann geschah es aus Absicht, Mrs. Redhood. Aus böser Absicht, aus kalkulierter böser Absicht. Ich werde nicht ermangeln, den Staatsanwalt in die Sache einzuschalten.

Redhood: Wenn wir jemals einen erreichen.

Thatchel: Das war ein feige geplanter Mord.

Redhood: Das werden Sie freilich kaum nachweisen. Dazu fehlen Ihnen die Indizien.

Thatchel: O lassen Sie mich nur machen!

Redhood: Mag sein, dass man sich erhoffte, wir brächen uns den Hals. Vielleicht wollte man Ihnen auch nur einen kleinen Denkzettel geben.

Thatchel: Mir?

Redhood: Und ich habe von Ihrem Denkzettel auch was abbekommen.

Thatchel: Was auch sollte ich bedenken?

Redhood: Wie kann ich das wissen. Vielleicht, dass Sie sich nächstens nicht mehr um den Grabbatsch bekümmern, sondern um gute Politik.

Thatchel: Wegen meiner Politik brauche ich keinen Denkzettel. Ich mache erstklassige Politik.

Redhood: O, ich habe schon viele gesehen, die sich auf die eigene Schulter geklopft haben, weil sie so tolle Kerle sind. Und was war an ihnen?

Thatchel: Eine Thatchel gibt es nur einmal, liebe Mrs. Redhood.

Redhood: Gewiss. Und doch, allerliebste Thatchel besteht das Komische am Politiker vor allem darin, dass er es ja überhaupt nie zulassen könnte, sich auf die Menschheit loszulassen, ohne von einem Erfolg überzeugt zu sein. In der Regel genügt ihm dabei schon, sich in der Einbildung grandiose Erfolge zu bescheinigen. Freilich, wer auch wagte es, eine so bedeutende Größe wie eine Thatchel in die Hölle sausen zu lassen? Was auch hätte er davon? Schadete er sich nicht selbst? Dann müsste ja ein anderer die schrecklichen Regierungsgeschäfte übernehmen. Am Schluss wohl gar noch ich! Das gäbe ja das größte Fiasko.

Thatchel: Wenn es in Ihrer Macht stünde, mich zu befreien, sich selber aber nicht: Würden Sie es tun, Mrs. Redhood?

Redhood: Warum sollte ich das?

Thatchel: Zum Wohl des Vaterlands.

Redhood: Wer sagt mir, dass das zum Wohl des Vaterlands wäre? Wenn ein Wunsch berechtigt wäre und in Erfüllung gehen sollte, so der, dass Sie. Mrs. Thatchel, mich befreien. O Mrs. Thatchel! Erwidern Sie nichts! Lassen Sie es sich von mir erklären. Erstens hätten Sie mich gerettet. Das wäre eine Tat, wie sie nicht noch einmal in der lieben langen Weltgeschichte vorgekommen ist. Und zweitens könnten sich dann auch noch Ihre Mörder in Ewigkeit rühmen, Ihren Tod verursacht zu haben. So wie Brutus und Cassius in Ewigkeit mit dem göttlichen Julius Cäsar im selben Boot sitzen, würden Ihre Mörder mit Ihnen im selben Boot über die Himmelsflächen dahin fahren.

Thatchel: O da würde ich sie aus dem Boot werfen.

Redhood: In den Geschichtsbüchern lebendig zu bleiben, ist allemal besser, als spur- und namenlos zu verschwinden.

Thatchel: Doch was sollen wir jetzt tun? Immerhin sitzen wir in derselben Falle. Und sind wir als Frauen nicht auch Manns genug, unser Geschick selber zu entscheiden?

Redhood: Wie soll das geschehen?

Thatchel: Schließen wir einen Waffenfrieden.

Redhood: Nur unter der Bedingung, dass jeder die gleiche Leistung erbringt!

Thatchel: Gut, ohne alle Sonderleistungen. Schaffen wir uns gemeinsam unsere Befreiung, dann können wir uns schon morgen wieder, wenn uns die Lust überkommt, mit aller Härte bekriegen.

Redhood: Das ist ein Angebot. Da schlag ich ein.

Thatchel: Und sie soll sehen, dass ich nicht undankbar bin. Denn wenn ich nun schon bald als die Architektin und Schöpferin eines vereinigten Europas einen Ruhm genieße, der selbst über die chinesische Mauer dringt, so werde ich von allen meinen Biografen verlangen, mitzuteilen, wie ich von ihr Hilfe erfahren.

Redhood: Auch ich werde selbstverständlich nicht undankbar sein. Wenn wir erst einmal unter meiner Führung über Europa hinaus sind und zu einem Weltreich der 5 für immer befriedeten grünen Kontinente gelangt sind?.

Thatchel: Das ist doch Utopie. Das schafft sie doch nie.

Redhood: O, das schaff ich. Wo wir Politik machen können über die Köpfe der Bürger hinweg: wer schafft da nicht das Verrückteste und Absurdeste?

Thatchel: Demokratie heißt nicht, dass wir immer mit dem Volk zusammen das Gute zu bewirken hätten, sondern für das Volk. Wenn es um große Dinge geht, kann man das Volk nicht mitbeteiligen. Man käme nie zu einem Entscheid.

Redhood: Denk dir heute was Schönes aus oder lass es dir von deinen Ratgebern einflüstern: und du bist morgen eine gemachte Frau.

Thatchel: Immerhin ist meine Politik real kalkuliert.

Redhood: Auch das wäre real, wenn einmal wieder die Urwälder am Amazonas blühen, am Mississippi, am Ganges und am Dnjepr? Oder ist das etwa irreal, wenn alle Menschen in Frieden zusammen hausen, ungestört von Hunger, Pest und Krieg? Mag dann auch da und dort ein verrückter Missionar durchs Dickicht springen, die Affen und die Riesenschlangen zu bekehren, irreal ist das noch immer nicht. Zu den Menschen aber, die dort siedeln, kommt täglich einmal wenigstens das Brotauto; und einmal wenigstens kommt der Milchwagen gefahren; und dann bringen sie Brötchen und Kuchen, Kaffee und Milch. Und das wird Sie ja wohl auch nicht als etwas gänzlich Unmögliches ansehen.

Thatchel: Es sei denn, dass es keine Autos mehr gibt.

Redhood: Ich denke an Autos mit Sonnenkollektoren

Thatchel: Als ob die nicht auch die Umwelt verschmutzten.

Redhood: Doch kommen Sie endlich! Hier ist die Treppe.

Thatchel: Aber die führt ja abwärts.

Redhood: Ein Stückchen nach unten, was kann das schaden, wenn sie dann wieder hinaufführt?

Thatchel: Ja tut sie denn das?

Redhood: Probieren wir es aus.

Thatchel: Ich weiß nicht.

Redhood: Ja, traut sie mir etwa nicht? Hab ich ein Messer in der Hand?

Thatchel: Wenn ich das gute Ende schon sähe, wäre es mir lieber.

Redhood: Still, da hört man doch was!

10. Akt: Wie der Polizeipräsident Catwang kommt; wie er empfangen wird, auf Santi trifft und dann auf die beiden Damen Redhood und Thatchel.

1. Szene: Polizeipräsident Catwang kommt zur Villa

(Wie der Polizeipräsident Catwang auf die Villa zukommt; dabei wird er von den beiden Damen aus sicherem Versteck heraus mit Äpfelchen beworfen )

Catwang: Eigentlich wär ich gern als Privatmann gekommen, ein kleines pyramidales Schäferstündchen einzulegen. Aber Gottes Wille ist Befehl. Und doch muss ich sagen, dass ich das nicht gut finde, wenn wir als Polizei nun auch noch die Arbeit von Kindermädchen verrichten sollen. Warum auch muss der alte Grabbatsch mit seinen 80 Jahren noch immer von zu Hause weglaufen ohne Stock und Hut? Hat ihn seine Sekretärin Süßmund schon satt, dass er noch ein wenig fremd gehen muss? Oder kann er bei ihr nicht genug kriegen, weil die Augen noch immer viel größer sind als der Mund? Vermutlich trifft letzteres zu. Sonst hätte die Süßmund ja wohl auch nicht nach mir gerufen und mich so lange bearbeitet, dass mir gar nichts anderes übrig blieb, als mich auf diese streng geheime Mission zu begeben. Doch was ist denn das? Wer wirft denn da mit Äpfelchen? Da soll noch ein Mann von meiner Positur einen Gedanken fassen. Ei, wer kommt denn da gesprungen?

2. Szene: Catwang mit zwei Damen

(Krapschki und Schatzki kommen ihm entgegengesprungen)

Krapschki: Ei, wer kommt denn da gegangen? / Dass wir ihn ins Netz einfangen?

Schatzki: He kleiner Süßer, wohin des Wegs so verstohlen? Nicht dass er meint, wir hätten ihn nicht schon lange erspäht. Ein so munteres Kerlchen wie er entgeht uns nicht.

Catwang: O ihr neckischen Mäusinnen!

Krapschki: Hat er auch eine starke Brust, der Herr Seeräuberkapitän?

Catwang: Wenn ich spreche, zittert die Unterwelt.

Krapschki: Das meinen wir aber nicht nur.

Catwang: Was denn dann noch?

Krapschki: Wenn wir ihm unsere entzückenden Füßchen auf die Heldenbrust setzen, ob dann viele forellenblaue Scheinchen aus seinem Herzensschreinchen hervorgeschwommen kommen?

Catwang: O Ihr Schlimmen! Das alles wird sich zeigen, wenn der Zeitpunkt gekommen ist.

Schatzki: O, kleiner Süßer, das wollen wir schon jetzt sehen.

Krapschki: In seiner äußeren Gestalt lässt er sich ja sehen. Aber das ist nur die notwendige Bedingung, das ist noch nicht hinreichend, um uns von seiner Seriosität und Tatkraft zu überzeugen.

Schatzki: Also, heraus mit der Monetion!

Catwang: Wie lieb von euch, dass ihr mir zu sagen kommt, dass das Weltall für nichts anderes geschaffen wurde, als um ein Männerherz an sein Ruheplätzchen zu bringen. Und doch.

Schatzki: Was soll das "Und doch!"? Seine Rückzugsmanöver hören sich überhaupt nicht lustig an. Auch schaut er drein, als wär er noch immer im Amt. Dabei weiß er doch, dass wir nichts Unlustiges von ihm hören wollen.

Catwang: In der Tat. Ich komme nicht nur vom Dienst, ich komme im Dienst.

Krapschki: Mit Piff-paff unterwegs? Das glaubt er doch selber nicht.

Schatzki: Abscheulich, uns so etwas zu sagen.

Krapschki: Zeig er uns seine Waffe.

Catwang: Hier. Da ist mein Dienstrevolver.

Krapschki: Und der ist geladen?

Catwang: Das will ich meinen.

Krapschki: Das ist doch nur eine Kinderpistole. Eine Wasserspritzpistole. Halte er sich seine Pistole an seine Schläfe und drücke ab. Dann wissen wir, ob es nur eine Kinderpistole war oder nicht!

Catwang: Spielen wir nicht mit dem Feuer!

Schatzki: Was machen wir sonst? Nicht wahr, kleine Krapschki!

Krapschki: O ja, süße Schatzki! Das müsste der Herr Kommissar wissen, dass das unser Beruf ist.

Catwang: Es wäre nicht das erste Mal, dass sich unmittelbar neben mir etwas Schreckliches ereignet.

Krapschki: Kaum taucht er irgendwo auf, da häufen sich auch schon die schrecklichsten Gräueltaten.

Catwang: Täusche sich nur niemand. Wenn einer eine kriminalistisches Ader hat, gepaart mit einem detektivischen Talent und einem Paar Händchen, die stets zur Hand sind, um augenblicklich zuzupacken: so bin ich es. Und wenn ich im Amt bin, bin ich zu allem fähig. Ich muss nur meinen Namen nennen und schon tun sich die verborgenen Türen auf und die geheimsten Verbrechen werden offenbar. Catwang, sag ich und schau dem Kerl ins Gesicht, den ich gestellt habe. Catwang bin ich. Worauf mir der Sünder gleich reumütig alle seine Untaten zu gestehen beginnt. Selbst Verbrechen, die einer in seiner Jugend begangen hat und lägen sie auch schon über 50 Jahre zurück, deck ich so auf. Manchmal glaub ich fast, mein Name allein ist schon die Hand Gottes. Jedenfalls bin ich die Zuchtrute des Schicksals. Jawohl, wenn ich einmal recht auf der Jagd bin, da soll mich noch einer kennen und wenn er mich früher als noch so sanftes Lamm gekannt hat.

Schatzki: Aber unser Haus ist doch kein Gefängnis.

Catwang: O, da sollen Sie noch staunen. Da fang ich einfach mal an zu reden, gleichsam die belanglosesten Belanglosigkeiten. Z.B. dass Catwang, also mein Name, ebenso viele Vokale aufweist wie Grabbatsch, nämlich zwei A. Daraufhin fragt man mich z.B., was das zu bedeuten habe. Ja hören Sie nicht, gnädiges Fräulein, wie es bereits um unsere Ohren summt? In ihrem Herzen ist eine Mördergrube. Aber die sollen sie schön ruhig und unentdeckt lassen. Damit sie nicht zum Verbrecherloch entartet. Verstehen Sie, was ich meine?

Schatzki: Das ist abscheulich.

3. Szene: Suche nach Grabbatsch

(Santi kommt dazu, neben ihr Murdoch)

Santi: Ist da was Besonderes?

Catwang: Catwang ist mein Name.

Murdoch: Na und? Was begehrt der Herr?

Catwang: Schauen Sie mich an. Nein, schauen Sie mir fest in die Augen.

Murdoch: Was für eine Aufforderung! Bin ich etwa schwul?

Santi: Oder sollen wir uns an einen Kunden erinnern? Sagen Sie mir, was Sie uns das letzte Mal spendiert haben und ich sage Ihnen, wer wir sind. Vermutlich aber ist ihre Schatulle nicht so gut bestückt, dass es zu einem wöchentlichen Rendez-vous reicht.

Tatzki: Der Herr kommt in der Eigenschaft als Kriminalinspektor.

Catwang: Als Polizeipräsident komme ich, liebes Kind.

Santi: Und als solcher kommen Sie ausgerechnet zu uns? Wir, die wir keiner Fliege etwas zu Leid tun können.

Catwang: O, gnädige Frau, schon manch einem sind wir begegnet, der nie eine Fliege hätte tot batschen können, wohl aber Menschen.

Murdoch: Wenn Sie einen Blick in den Keller werfen wollen? Vielleicht finden wir dort einen Haufen Leichen.

Catwang: Darf ich Ihnen gestehen, dass ich zwei Seiten zur Ansicht mit mir trage?

Murdoch: Auch das ist nicht so selten. Vorn ein Heuchler und Hochstapler und hinten ein Feigling, der davonläuft, wenn es brenzlig wird.

Catwang: Sie belieben das Bild eines Possenreißers zu entwerfen? - Schon manch einer hat in mir nichts anderes gesehen als einen Possenreißer. Aber das haben wir Kriminaldetektive so an uns. Schon mein verehrter Lehrer Petrowitsch wusste das, der sich um die Erforschung des Gewissens viele Verdienste erworben hat und der bereits nahe daran war, das Geheimnis der Individuation aufzudecken, der dann aber dieses kühne Abenteuer seinem Schüler überlassen musste.

Santi: Was wollen Sie?

Catwang: Ich will Ihnen nur sagen, dass man mich beauftragt hat, nach dem Verbleib des Mister Grabbatsch zu forschen. Deshalb deutete ich an, dass ich alles herauskriege wie mein Lehrer. Im Übrigen aber habe ich tiefen Respekt vor Ihrem Haus. Unsere Zeit verträgt ja die Einehe nicht mehr. Überhaupt scheint mir das bürgerliche Modell der Familie als Kernzelle des Staats ins Wanken gekommen, dass es nur noch eine Frage von Minuten ist, bis wann wir ihr das große Requiem singen. Da ist es ganz gut, wenn wir jetzt schon hin und wieder auf die erprobten und altbewährten Hausmittelchen zurückgreifen.

Santi: Den Grabbatsch suchen Sie?

Catwang: Ich bin offen, müssen Sie wissen, gnädige Frau. Und nachdem ich Ihnen einen Namen genannt habe, verrate ich Ihnen auch meine Methoden und Arbeitsweisen. Und so sage ich Ihnen, dass ich die Gewissen geschmeidig mache. Und das mach ich so gründlich, als ob ich mir die Hände mit Seife wüsche. Sag ich zu einem Mörder, o geben Sie sich doch keine Mühe, sich hinter einer bleichen Maske zu verbergen! Verhalten Sie sich doch nur so, wie es ganz zwanglos und bequem dem momentanen Zustand Ihres Inneren entspricht! So machte das auch noch Porphyrij Petrowitsch. Doch der bezog sich auf die Bilder der Tatsachen. Man kann aber noch einen Schritt weitergehen und sich auf die Bilder der Einbildung beziehen, ja man Bilder der Einbildung induzieren und dann auf sie Bezug nehmen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Da zeige ich dann meinem Opfer, was er getan hat. Zeige ihm die Schauplätze seiner Missetaten und zeige ihm, wie er ans Werk gegangen ist und decke alles auf, bis er gesteht, dass er der Mörder ist. Und dann lasse ich ihn hängen. Und beim nächsten mach ich´s ebenso. Bis ich die gesamte Welt gehängt habe. Und es ist ja interessant, es ist geradezu hochspannend, die ersten Regungen der Individuation zu beobachten, deren Rekapitulation sich übrigens auch bei den Kleinstkindern beobachten lässt. Ich war es nicht. Das ist das erste, was ihm da in den Sinn kommt. Und er hat ja Recht; nur dass er in seinen Vorstellungen und Einbildungen verfangen nicht weiß, dass er Recht hat. Wiewohl er von nichts mehr überzeugt ist, als dass er es war, hält er es für vorteilhaft, sich zu verstecken und im Dienst seiner Rettung zu lügen. Er glaubt, der Mörder zu sein, zieht es jetzt aber vor, an seine Rettung zu denken. Die erste Regung ist die Lüge. Und so lügt er, indem er die Wahrheit sagt.

Murdoch: Noch immer aber wissen wir nicht, was Sie wollen.

Tatzki: Er will etwas gehört haben. Hilferufe.

Santi: Auch das noch. Sind wir eine Unfallklinik? Überhaupt, wer soll da um Hilfe gerufen haben? Ich habe nichts gehört.

4. Szene: Zu Hilfe

(Man hört die Hilferufe der Thatchel und des Grabbatsch)

Stimme des Grabbatsch: Lasst mich! Ich will nicht in dieses Loch.

Catwang: Wer war das?

Murdoch: Eine Leiche aus dem Keller beliebte um Hilfe zu rufen.

Thatchels Stimme: Hilfe, wenn jemand da droben ist!

Murdoch: Und noch eine Leiche.

Santi: Aber der Grabbatsch war das nicht. Das war eine weibliche Stimme. Ein Hilferuf, ganz aus der Nähe, wie aus dem Erdboden.

Catwang: Das waren zwei Hilferufe. Einer von einem Mann und einer von einer Frau. Das kennen wir, das ist die Duplizität der Fälle.

Santi: Wüsste ich nicht, dass uns das Haus gehört und dass ich es kenne, so wollte ich sagen, dass es hier gespenstert.

Stimme des Grabbatsch: Weg mit der Verführung.

Catwang: Das lassen wir freilich nicht auf sich beruhen. Das ist etwas, was nach uns ruft. Dem gehen wir nach!

Thatchels Stimme: Hallo, so helft uns doch!

Murdoch: Dem gehen wir nach!

Catwang: Wenn ich recht gehört habe, war das die Stimme unserer Interimsregentin, Mrs. Thatchel. - Gnädige Frau, wo sind Sie?

Stimme des Grabbatsch: Ich brauch keine süße Verlockung.

Murdoch: Das ist doch Unfug.

Thatchels Stimme: Zu Hilfe.

Catwang: Nun? Sag ich´s nicht, dass ich nur auftauchen muss; und schon wird alles Dunkel gelichtet?

Murdoch: Konträr, mein Herr. Alles Licht wird dunkel.

Thatchels Stimme: Ich bin die Mrs. Thatchel

Redhoods Stimme: Und ich bin die Mrs. Redhood!

Catwang: Zwei Frauen von der Politprominenz!

Murdoch: Sofern die beiden Stimmen die Wahrheit gesagt haben.

Catwang: Gnädige Frau. Darf ich Sie als Besitzerin dieses Hauses um eine Auskunft bitten?

Santi: Mein Herr. Das alles ist doch nicht der Rede wert. Das sind zwei reizende Damen, mit denen ich vorhin noch ein wenig geplaudert habe. Dann sind sie allein weitergegangen und haben eine kleine Auszeit genommen, wie man es für gewöhnlich tut, wenn man sich noch einmal sammeln will. Aber das ist harmlos, absolut harmlos. Sehen Sie nur! (sie drückt einen Knopf und Thatchel und Redhood kommen hervor)

Murdoch: O; was für ein Anblick! Meine Damen. Sie geruhten einen kleinen Abstecher zu machen und sich die Katakomben von Mrs. Santi anzusehen?

Thatchel: Einen Abstecher?

Redhood: Die Sache muss untersucht werden.

Murdoch: Ja sind wir nicht eben dabei? Sagen Sie selbst, Mister Catwang, dass man einer Sache nicht genauer auf den Grund gehen kann.

Catwang: Wir werden ja sehen.

Santi: Ja um des Himmels Willen, warum haben Sie mir nicht eher gerufen, meine Damen? Wussten Sie nicht, dass das für mich eine Kleinigkeit ist?

Thatchel: Wir haben Sie gerufen.

Murdoch: Aber eben doch wohl nicht laut genug.

Thatchel: Kurz nachdem wir den Grabbatsch gehört hatten, stürzten wir auch schon in den Abgrund. Diese Dame aber stand bei uns und stürzte nicht mit uns ab.

Murdoch: Sie meinen, aus Mitgefühl hätte Mrs. Santi sich mit hinab stürzen sollen?

Redhood: Bei einem zu stehen, ohne einem beizustehen: das macht sich nicht gut. Woraus wir schließen ?

Catwang: Gnädige Frau, warten Sie! Lassen Sie sich vom Polizeipräsident Catwang erklären, wie leicht man sich in Vorstellungen und Einbildungen verstrickt und verfängt.

Santi: Meine Damen! Wenn wir alle so sehr um unseren Grabbatsch besorgt sind, wie wir es ja sind: so folgen wir doch seiner Stimme und sehen nach, was sich uns zeigt. (Catwang zart bei der Hand fassend) Mein Herr, gönnen Sie mir das Vergnügen und lassen Sie sich von meiner Hand führen!

Thatchel: Jetzt hören wir sie nicht mehr.

Catwang; Dann warten wir eben, bis wir wieder etwas hören!

Redhood: Das kann lange dauern.

Catwang: Was macht uns das aus?

Santi: Das muss es uns wert sein.

Thatchel: Wir sind jetzt schon sehr lange da.

Santi: Gut! Dann will ich Ihnen helfen! - (sie ruft) Mister Grabbatsch! Mrs. Thatchel würde Ihnen gerne Hilfe bringen. Hätten Sie die Freundlichkeit ihr zur Orientierung einen Ton zukommen zu lassen?

Thatchel: Er gibt keine Antwort; er ruft nicht zurück.

Santi: O nein. Ganz und gar nicht.

Redhood: Rufen Sie ihm doch, Mrs. Thatchel! Ihre Stimme ist ihm vertraut.

Santi: O ja, rufen Sie ihm doch Ich möchte wetten, er schickt Ihnen ein kleines Zeichen zurück.

Thatchel: Mister Grabbatsch! Können Sie mich hören? Hier spricht Mrs. Thatchel!

Redhood: Hat schon jemand was gehört?

Santi: Das war zu kurz. Selbst wenn Mister Grabbatsch etwas gehört haben sollte, so hatte er doch noch keine Gelegenheit, sich klar zu machen, dass das von seiner trauten Thatchel kam.

Thatchel: Soll ich nochmals rufen?

Redhood: Unbedingt.

Thatchel: Mister Grabbatsch! Können Sie mich hören? Hier spricht Mrs. Thatchel!

Redhood: Nein, das ist noch nichts. Das muss sie noch üben.

Santi: Sie müssten Mister Grabbatsch etwas sagen, was er fürs Leben gern hört. Wie wenn er ihr Kind wäre und sie fragten ihn nach seiner Leibspeise. Dann, Mrs. Thatchel, dann bekämen Sie eine Antwort.

Thatchel: Und was sollte das sein?

Santi: Dass sie ratlos dastehen, ohne ihn, wie ein verwaistes Baby.

Thatchel: Das kann ich nicht.

Santi: Sie sollen ja nicht greinen, nur es sagen.

Thatchel: Das wäre verlogen. Mir geht es wie Mrs. Redhood. Ich komme nämlich sehr gut ohne ihn aus.

Redhood: Ich darf aber doch bitten. Ich gehöre immerhin einer ganz anderen Partei an.

Santi: Meine Damen streiten Sie sich nicht! Kommen Sie! Folgen Sie mir! Ich bring Sie zu ihm.

Redhood: Warum tun Sie das erst jetzt?

Catwang: Aber, aber! Gnädige Frau. Einem geschenkten Barsch schaut man nicht unter die Kiemen.

Thatchel: Ich bitte aber den Polizeipräsidenten Acht zu geben, dass man uns nicht wieder in der Unterwelt verliert!

11. Akt: Wie Nil Santi die Anwesenden zu Grabbatsch führt, der dann verschwindet.

1. Szene: Vor dem Nirvana

(Indem die Santi den Festsaal aufschließt, sieht man im Hintergrund ein überlebensgroßes Porträt der Monroe, welches auf einer Türe aufgeklebt ist, hinter der das Nirvana beginnt. Vor dieser Türe steht die lebensechte Monroe zum Öffnen der Türe. Davon etwas entfernt, aber auf dem Weg dorthin befinden sich Fratzki und Tatzki mit Grabbatsch. Fratzki als Reiterin auf Grabbatsch, der entsprechend aufgemacht auf allen Vieren geht, bzw. gehen soll.)

Santi: Und nun, meine Damen und Herren, geben Sie Acht! Jetzt sollen Sie nämlich sehen, wie es um unseren lieben Grabbatsch steht! - Mister Grabbatsch! Hallo. Es ist Besuch für Sie da!

Grabbatsch: Lasst mich in Ruhe!

Thatchel: Das war mein Grabbatsch, so wahr der Herr Jesus lebt.

Santi: Was heißt "war"? Hier ist er ja doch!

2. Szene: Erziehung zum Helden

Fratzki: Reiß dich zusammen, Grabbatsch. Jetzt hast du noch eine letzte Chance, ein großer Held zu werden.

Grabbatsch: Ich will aber kein großer Held werden.

Fratzki: Dann muss dich Miss Tatzki bestrafen, weil du dich schlecht benommen hast. Miss Tatzki. Kommen Sie! Reichen Sie mir den Tatzenferl! Eine Tatze auf jede Hand hat er unbedingt verdient.

Redhood: (für sich) Das hab ich doch schon einmal gesehen oder zumindest gehört. Oder hab ichs nur geträumt?

Fratzki: Also, mein Junge. Reich deine rechte Hand, damit ich dir darauf schreiben kann, dass du deine Lektionen nicht gelernt hast! - Nun? Wird´s bald? - Also! - Und nun noch die andere Hand. Und merk dir, dass die Bestrafung nicht das Mindeste mit Lust zu tun hat. Und jetzt wieder auf den Boden, auf dass ich dich zubereite!

Grabbatsch: Ich will nicht zuberitten werden.

Tatzki: Unlust wird Lust, mein Herr, wenn man nur will.

Monroe: Und vergiss nicht mein Junge, dass du zu Mama willst.

Fratzki: Ja, daran solltest du dich erinnern.

3. Szene: Ablehnung

Santi: Und was sagen Sie jetzt?

Redhood: Wenn ich mich auch an diese Monroe nicht mehr erinnern kann: Das ist Vergewaltigung.

Catwang: Aber gnädige Frau: seit wann werden Männer von Frauen vergewaltigt. Zumal, wenn sie wollen!

Thatchel: Will denn mein Grabbatsch? Wo ist er überhaupt? Ich sehe ihn nicht.

Catwang: Der Mann, der den Esel spielt: sehen Sie den nicht?

Santi: Und Sie, gnädige Dame, was sagen Sie jetzt?

Redhood: Mrs. Redhood, wenn ich bitten darf.

Santi: Jawohl. Mrs. Redhood.

Redhood: Und ob ich ihn sehe! Oder hab ich Spinat auf den Augen? Da vorn scheint man ihn um die Ecke bringen zu wollen. Doch man wird sich hüten, wo ein Polizeipräsident unter uns weilt.

Catwang: Und wo sehen Sie etwas wie ein Um-die-Ecke-bring-manöver?

Redhood: Bei dem Riesenweib von Monroe. Vielleicht hat man ihn damit angeködert.

Santi: Pfui, was für eine Diktion! Angeködert! - Was sagen Sie zu dem Bild, Mister Catwang?

Catwang: Wer kennt es nicht? Diese Männerherzen umzaubernde Ikone der modernen Helena! Allein schon dieses herzkirschenreife Lächeln auf den roten Lippen! Bild und Urbild: man weiß nicht, wohin man zuerst schauen soll! Wenn Sie nicht wären, liebe Santi, so wollte ich ?

Santi: O still doch, lieber Catwang!

Catwang: Allein schon dieses Bild küssen zu dürfen wäre aller Anstrengungen eines Herakles wert!

Redhood: Ich frage mich, was hier eigentlich geschieht. Ein Kasperletheater geht auf jeden Fall über die Bühne. Davon zeugt all das dumme Gerede nebst diesem Gelichter der zwei in Frauenkleider versteckten Männerstrolche. Und doch bleibe ich dabei: Auch in einem Kasperletheater kann man einen um die Ecke bringen.

Santi: Um die Ecke bringen!

Redhood: Das ist mein ceterum censeo.

Santi: Ihr Zeter und Mordio.

Thatchel: Jetzt öffnet das Weibsbild die Türe wie den Deckel zu einem Abtrittsloch.

Santi: Wie die Geliebte, die sich eben auf die Seite legt, um ihrem Liebhaber Platz zu machen.

Redhood: Oder wie das Türchen, durch das man Leichen zum Verbrennen schiebt.

Catwang: Und der Geliebte kommt. O wie begierig er auf sie zukommt!.

Redhood: Den Grabbatsch in ihre Leichenarme zu nehmen.

Thatchel: Ich kann keine Geliebte sehen, allenfalls eine Grabgöttin.

Schmatzki: Das hätten die Damen- und Herrschaften sehen sollen, wie stolz unser Grabbatsch auf seine süße Monroe zu galoppierte, als ihn noch niemand störte.

Redhood: Wild wie ein Held zur Schlacht.

Grabbatsch: Lasst mich!

Santi: Ja, das ist er wieder. Das ist die Stimme der Scham. Die Scham nämlich zwingt den Grabbatsch, genau das Gegenteil von dem zu sagen, was er eigentlich sagen möchte. Mister Catwang kann Ihnen das erklären.

Grabbatsch: Lasst mich.

Santi: Jawohl. Hab ichs nicht gesagt! Wiederum will er damit sagen, dass ihm jetzt der höchste Augenblick seines Lebens winkt. Jetzt geht er ein in sich, tiefer und immer tiefer ein. Schon ist er so weit, dass er ganz klein geworden ist. Gleich wird er ganz verschwunden sein.

Catwang: Ein Orgasmus!

Redhood: Oder eine Reihe multipler Orgasmen!

Santi: Lassen wir ihn! Keiner soll ihn dabei stören.

Redhood: Das hört sich an, als hätten Sie ihm Steine an die Füße gebunden, damit er schneller abwärts gelangt. Mit denen wird er fortan leben müssen.

Catwang: Im Elysium

Thatchel (zu Redhood): Glauben Sie, dass er die Steine nicht mehr von den Füßen bringen wird? Das wäre ja die Hölle. - Und ich habe kein Wort mehr mit ihm gesprochen.

Santi: Mister Grabbatsch wird jetzt mit seiner Monroe ins Winterquartier umziehen.

Thatchel: Das wird mich niemals trösten.

Santi: Warten Sie noch einen Monat, Mrs. Thatchel. Dann werden Sie erleichtert sagen: Die letzten Schwalben über den Bergen wurden vor nunmehr einem Monat gesehen.

Catwang: Man sollte den Blick jetzt nur noch nach vorn richten.

Thatchel: Warum? Haben wir nicht ein Recht zu trauern?

Santi: Ich meinte ja nur, dass unser Grabbatsch nicht mehr lange etwas von seinem Fall merken wird. Dann fällt er eine liebe lange Ewigkeit im freien Fall, ohne eine Ahnung davon zu haben.

Catwang: Das ist sogar sehr schön, wenn der Dichter Recht hat, der gesagt hat, dass alle Lust Ewigkeit will.

Santi: Eines allerdings wissen wir ganz genau: Wer das Leben tiefer begreifen will, als was es prinzipiell zum Begreifen darbietet, der übernimmt sich.

Catwang: Doch was stehen Sie da, meine Damen, als wären Sie versteinert? Gnädige Frau! Ich bitte Sie. Klären Sie die Dame auf!

Santi: Worüber?

Catwang: Über das Leben!

Santi: (während die Mädchen das Fenster wieder schließen und das Gesicht der Monroe wieder groß zu sehen ist) Das Leben, was es mit dem auf sich hat? Vom ungeheuerlich Neuen und noch nie Dagewesenen entwickelt sich das Leben über das ungeheuerlich Gespenstische zum ungeheuerlich Entsetzlichen. Kommen zwei Leute zusammen, Mann und Frau, und erzeugen neues Leben, so ist es ungeheuerlich. Nichts als zwei Gespenster sieht man da, die Erde und Himmel für kurze Zeit zusammen bringen, um dann für immer wieder zu verschwinden. C´est la vie. Und die Unsterblichkeit ist nicht weit hiervon entfernt. Da sage ich nur: Man muss im Rausch sterben, um nicht mehr aus dem Rausch zu erwachen. Doch was red ich da lang! Machen wir Schluss! Ihr Mädchen, singt jetzt noch das Lied auf Grabbatsch, den Großen, wie wir es einstudiert haben! Es ist Zeit!

Lied der Mädchen:

Wer einmal sich die Welt besehn

vom Anfang, bei der Schöpfung Wehn,

hinunter bis zum heutigen Tag,

sich gerne wohl erinnern mag

An ihn, der in der Zeiten Lauf

Europa schloss die Tore auf.

Als Mister Grabbatsch ist bekannt

ein Vater er dem Vaterland.

 

Wenn jemals Engelszungen singen

Von Menschenplänen und Gelingen,

so werden sie sein Werk auch preisen.

Und aller Welt wird sich´s erweisen,

wie er vom Einheitsgeist durchdrungen

den Geist der Spaltung hat bezwungen.

Fortan nun über Zaun und Mauern

der Friede, den er schuf, wird dauern.

 

Ja ich bekenn aus Herzensgrund,

dass weit und breit kein Held mir kund,

der jemals hätt zustand gebracht,

was sich erfreute solcher Pracht.

Was er im Stillen ausgefunden,

er schloss es auf in guten Stunden.

Nicht Feind, nicht Freund vermochten ihn zu halten,

das Gute war´s, er musste es entfalten.

Santi: Wie hat Ihnen der Chor gefallen, meine Damen und Herren?

Thatchel: Das klang wie ein Nachruf.

Santi: Und nun meine Damen und Herren bitte ich Sie, Ihren Hut zu nehmen und zu gehen. Denn hier werden Sie auf keinen Fall mehr Mister Grabbatsch sehen. Im Haus Europa hält er sich nicht mehr auf.

Redhood: Das kann Sie teuer zu stehen kommen, gnädige Frau!

Santi: Beeilen Sie sich, dass sie das Haus Europa beizeiten verlassen, damit es nicht auch für Sie teuer wird, Madame!

Redhood: Das hört sich nicht gut an! Doch kommen Sie, Mrs. Thatchel! Gehen wir! (sie gehen beide)

Thatchel: Vielleicht bekomme ich doch noch die Mehrheit zusammen für den Europäischen Rettungsschirm.

Santi: Und auch Sie, Mister Catwang, sollten jetzt zusehen, dass Sie zu Mama kommen.

Redhood: Ich werde den Antrag stellen, dass in allen öffentlichen, bislang von Patriarchen besetzten Positionen nur noch Frauen zum Zug kommen.

Thatchel: Aber da haben wir doch gar keine Mehrheit. (ab)

Redhood: Mein Ötzi wird jedenfalls für uns stimmen; sonst hat er seine Stelle bei mir gesehen. (ab)

Santi: Was stehen Sie noch herum, Mister Catwang? Ihr Besuch war uns eine Ehre. Oder suchen Sie noch ihren Hut?

Catwang: O, Mrs. Santi! Sagten Sie nicht, dass ich zusehen soll, dass ich zur Mama komme?

Santi: In der Tat. Manche haben mich liebevoll auch schon Patscha Mamma genannt!

Catwang: Dann behaupte ich, dass ich hier bleiben muss.

Santi: "In einem netten Kabinett auf nettem Bett? In eines netten Mädchens Armen auszuruhen? Mit Koer-Wein, Leukadier, Thasier, Lesbier, den das Alter schon zahnlos gemacht, dich anzufeuchten? (Poenulus)" Ich verstehe! - Meine Damen! Nehmen Sie sich unseres Gastes an! Zeigen Sie ihm des Himmels Wohnungen und verwöhnen ihn nach Strich und Faden!

Fratzki: Kommen Sie, Mister Catwang.

Tatzki: Sicher haben Sie noch nie eine unsrer himmlischen Wohnungen betreten.

Catwang: Mit welchem Vergnügen ich komme, ist kaum zu sagen.

Tatzki: O Mister Catwang! Versuchen Sie es zu sagen! Sie sind jetzt doch außer Dienst.

Catwang: Nun gut. So hört denn!

Wie schön ist doch die schön bemalte Welt,

hab ich im Sack auch kaum die Bohne Geld.

Den Rock des Präsidenten zieh ich aus

Und fühl mich in Europa wie zu Haus! (geht)

Santi: Wie leicht man Präsidenten doch umgarnen kann. Wüsst´ ich es nicht, mein Gott, ich glaubt´es nicht.

Murdoch: Uns aber steht Beschwerliches bevor. Sich des Amtes eines Schatzmeisters von Europa entledigen, das heißt sich eines atlantischen Bergs von Schulden zu entledigen: das ist noch schwieriger als aus dem Bett eines warmen, angenehm in seiner Nacktheit duftenden Jünglings zu steigen.

Santi: (sie öffnet die Türe und flüstert) Ai Ai, wo stecken Sie nur?

12. Akt: Der Verkauf

Ai Ai (ins Zimmer eilend, hinter ihm kommen Onassis und seine Frau Anastasia und Jaqueline): Hier, gnädige Frau. Und Sie dürfen mir glauben, es hat länger gedauert, als mir lieb war. Aber jetzt hat das Affentheater ein Ende. Väterchen Stalin marschiert allein weiter. Wir aber machen jetzt Nägel mit Köpfen.

Onassis: Wir werden ja sehen.

Anastasia: Jawohl. Wir werden sehen. Und den will ich sehen, der etwas anderes will als ich.

Santi: Jetzt, wo wir die Arbeiten hinter uns haben, gleichsam das Grobe, jetzt kommt das Feine.

Ai Ai: Beginnen wir mit dem Verkauf!

Anastasia: Was für ein Verkauf?

Onassis: Ich hab dir doch schon davon erzählt, mein Schätzchen.

Anastasia: Schätzchen? Du Judas, du Verräter. Das dort ist dein Schätzchen.

Ai Ai: Und wenn schon ! Das sind die Regeln des Marktes. An die haben wir uns alle zu halten. Doch genug davon. Ich bitte um die Karten! Sie sind lange genug gemischt. Man lege sie auf den Tisch!

Santi: Was meinen Sie dazu, Reeder Onassis?

Onassis: Ich habe nichts dagegen einzuwenden.

Anastasia: Aber ich!

Ai Ai: Haben Sie nicht gehört, gnädige Frau, dass Sie jetzt nichts einzuwenden haben?

Santi: Europa ist zwar alt, aber doch nicht ohne Bedeutung.

Ai Ai: Kommen wir also zur Sache!

Brooks (kommt herein): Das müssen Sie gesehen haben, meine Damen und Herren! Ein brandneues Buch. Mit Fotos aus Grabbatschs Leben, insbesondere von seiner feierlichen Kaiserkrönung. Vor allem das Gemälde auf Großleinwand, das Genosse Delacroix angefertigt hat und von dem wir eine Abbildung vorn ins Buch gebracht haben: das ist einfach sehenswert. Wie da Grabbatsch dem Papst, der ihn eben krönen will, die Krone aus der Hand krabscht und sie sich selber aufsetzt. Schon allein um das sich anzusehen, lohnt es sich, auf die Welt gekommen zu sein.

Ai Ai: Sie kommen etwas zu spät, gnädiges Fräulein. Grabbatsch gehört der Vergangenheit an; wir aber haben bereits mit der Zukunft begonnen.

Murdoch: Es ist gut, Miss Brooks. Wir brauchen jetzt kein Ablenkmanöver mehr.

Brooks: Aber so ein Buch sieht man gewiss nicht alle Tage. Oder wollen Sie dem Kaiser von Europa die kleine Ehre verweigern?

Ai Ai: Madame! Wie oft sollen wir es Ihnen noch sagen? Der Kaiser ist tot und Europa ist nur noch ein kleiner Vorort von Peking.

Brooks: Mister Murdoch, was soll das heißen?

Murdoch: Jawohl, so ist es. Bauen Sie die Anlagen wieder ab, damit niemand einen Argwohn fasst, wir hätten hier gefilmt. Zu Hause werden wir dann mit der Auswertung beginnen.

Ai Ai: Ich aber darf Sie bitten, mit dem Verkauf zu beginnen. Mister Onassis wird wohl gern bald mit seinen beiden Frauen auf seiner Luxusjacht zurück sein.

Anastasia: Mit mir gewiss nicht.

Murdoch: Meine Damen und Herren, in meiner Eigenschaft als Kämmerer und Treuhänder und Kassenwart Europas weise ich Sie darauf hin, dass jetzt die historische Stunde gekommen ist, in welcher Europa verkauft wird.

Anastasia: Und ich sage Ochi und Nein und Njet und Non

Onassis: Und ich sage: ich habe jetzt genug.

Ai Ai: Mrs. Santi! Lassen Sie das Weib wegführen und sperren Sie es ein, dass wir in der nächsten Stunde nichts mehr von ihm sehen und hören!

Anastasia: Hände weg! Ich kann alleine gehen. Aber in deine Träume will ich eindringen, Thanasi, und dir als Peregrina keine ruhige Nacht mehr lassen. Du Ungeheuer! (ab)

Onassis: Und nun sagen Sie endlich, Mister Murdoch, was Sie für den Stall haben wollen!

Murdoch: Für Europa? - Nun, das wird nicht ganz billig werden.

Jaqueline: Das macht nichts. Meinem Onassis genügt eine Insel in der Ägäis und etwas Rezina, wenn er nur seine Jaqueline bei sich hat.

Ai Ai: Nenn er Zahlen!

Onassis: Jawohl Zahlen wollen wir hören.

Murdoch: Gut. Beginnen wir die Rechnung aufzustellen.

Ai Ai: Presentare il conto heißt das in meinem Italienisch für Anfänger.

Onassis: (zu Jaqueline) Du weißt, wie viel ich mir die Brautgabe maximal kosten lassen kann.

Jaqueline: Für deine Jaqueline tust du doch alles, Liebling.

Onassis: Du kennst den Betrag, den ich nicht überschreite!

Santi: Nennen Sie Fakten und Zahlen!

Jaqueline und Anastasia: Jawohl. Nennen Sie Fakten und Zahlen!

Murdoch: Erst mal muss der Europäische Rettungsschirm bezahlt werden.

Onassis: Wenn ich Europa kaufe, muss ich da auch noch einen Rettungsschirm mitkaufen?

Murdoch: Nicht nur einen.

Onassis: Das wird ja immer besser. Vielleicht braucht man einen Sonnenschirm, wenn es heiß ist und die Sonne steil auf einen niederprasselt. Aber einen Rettungsschirm?

Murdoch: Da müssten Sie die Erfinder und Hersteller der Rettungsschirme fragen, wozu man die braucht.

Onassis: Nun gut. Und was macht das?

Murdoch: Das sind zur Zeit noch zwei Schirme

Onassis: Eine Zahl für zwei Schirme oder wie viel Schirme es auch sein mögen, wenn ich bitten darf!

Murdoch: 1000 Milliarden für die beiden Schirme sind nicht zu hoch gegriffen. Doch die beiden Schirme reichen nur bis zum nächsten Jahr. Dann kommt der nächste Schirm.

Onassis: Das wird ja wirklich immer besser. Bruchbude mit Rettungsschirmen. Am Schluss steckt nichts unter den Rettungsschirmen.

Jaqueline: Für seine Jaqueline ist ihm nichts zu teuer, meine Herren. Gib es nur zu, mein Thanasi! Wenn noch seine alte Anastasia da wäre, so würde sie sagen: Griechenland hat er mir nicht gekauft, der Schuft. Aber dieser Schlampe da kauft er alles.

Onassis: Was macht das also dann alles, summa summarum?

Murdoch: Zur Zeit wären wir dann etwa bei 6000 Milliarden Euro. Dazu dann kommen noch ein Inflationsausgleich, sinkende Steuereinnahmen und erhöhte Diätengelder für die Politiker aus Brüssel und Straßburg. Schließlich ist das keine Kleinigkeit, andauernd mit Tausenden von Milliarden sich zu befassen. Und rechnen Sie bei einer solchen Summe nur ein Promille dazu, sozusagen die Bearbeitungsgebühren für Banken und dann noch diese Kosten und jene, ja und das, das hätten wir ja gerade noch vergessen.

Jaqueline: Für hunderttausend Milliarden lassen wir mit uns reden.

Ai Ai: Ist das Weib närrisch?

Onassis: Ich habe zu ihr gesagt, dass ich bis zu diesem Betrag mithalte.

Jaqueline: Also, Thanasi, was zögerst du?

Onassis: Ja was zögere ich.

Murdoch: Für hunderttausend Milliarden sag ich top, sofern es sich um hunderttausend Milliarden Schweizer Franken handelt oder allenfalls auch englische Pfund.

Onassis: Ich überlege gerade, was ich alles aus meinem Besitz zu Geld mache. Das wird nicht wenig sein.

Ai Ai: Das ist doch viel zu teuer für dieses morbide Gebilde.

Jaqueline: Dafür bekommt er seine Braut, Mister Ai Ai.

Ai Ai: Was für eine Braut!

Jaqueline: Kein Mann der Weltgeschichte konnte sich jemals rühmen, die Frau eines amerikanischen Präsidenten heimgeführt zu haben.

Ai Ai: Wenn es wenigstens Euro wären oder U.S. Dollar. Da weiß man, dass man sie nächste Woche schon für die Hälfte kriegt.

Jaqueline: An meiner Brautgift führt kein Weg vorbei.

Onassis: Schreiben Sie die Rechnung. So will ich ein Werk christlicher Nächstenliebe verrichten.

Murdoch: (mit dem Hammer) Also. Wer bietet mehr? Zum ersten, zum zweiten und zum?

Ai Ai: Langsam, langsam guter Freund. China ist auch gewillt, Werke christlicher Nächstenliebe zu verrichten.

Murdoch: Was soll das heißen?

Onassis: Haben Sie auch eine Jaqueline?

Jaqueline: Das geht doch nicht.

Ai Ai: China bietet noch einen Euro mehr.

Onassis: Nein, das geht wirklich nicht!

Ai Ai: Warum geht das nicht? Ja was meinen die Herrschaften, warum ich gekommen bin? Warum ich mir so lange und so geduldig das Grabbatsch-Affentheater angeschaut und dann auch noch den Stalin in die Irre geführt habe?

Murdoch: (mit dem Hammer klopfend) Dann wird der Chinese Europa bekommen.

Jaqueline: Aber das geht doch nicht.

Onassis: Hauptsache, ich bekomme meine Jaqueline.

Ai Ai: Könnte ich die Verkaufsurkunde haben?

Murdoch: Hier ist sie, mein Herr. Wenn Sie hier noch unterschreiben wollten?

Ai Ai: Ai ai, Sire. Wie heißen wir noch immer? Ai Ai. Ganz Recht. (er unterschreibt)

Murdoch: Und wozu wollen Sie Europa verwenden, wenn ich fragen darf? Wozu können Sie Europa brauchen? Vielleicht denken Sie an so eine Bad-Bank?

Ai Ai: Aber wo denken Sie hin. Wir sind doch keine Heiden. Da exportieren wir alle Europäer nach Zentralafrika und dann siedeln wir die 500 Millionen Nachkommen unseres geliebten Führers Mao aus Maohausen, alles auserlesene Elite-Chinesen, im freigewordenen Europa an.

Onassis: Und das Geld habt ihr flüssig?

Ai Ai: Für solch ein Großprojekt haben wir immer Geld flüssig.

Jaqueline Könnten wir nicht einmal über etwas anderes reden als ewig über das Geld?

Onassis: Es ist und bleibt eben nun mal das Wichtigste, was wir auf der Welt haben, Schätzchen.

Jaqueline: Und wir Frauen?

Onassis: Versteht sich, neben den schönen Frauen.

Ai Ai: Und wenn ich ein wahres Wort gelassen an Ihren Busen legen darf, gnädige Frau, so nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich nicht wegen diesem Schafskopf von Grabbatsch hergekommen bin, sondern wegen Europa. Europa zu kaufen hat mich gelockt.

Murdoch: Ein bisschen mulmig ist es mir schon, liebe Santi, nach dem Verkauf. Denn dass der Chinese Europa aufkauft, um uns dann nach Afrika zu verschicken, das erschüttert mich nun doch etwas.

Ai Ai: Dort eröffnen Sie eine Kolonialwarenhandlung würde jetzt Stalin sagen, wenn er da wäre.

Santi: Aber er ist nicht da.

Ai Ai: Er ist unterwegs nach Den Haag, sich im dortigen Zoo die bösen Verbrecher anzusehen, wie er sich auszudrücken beliebte. Er will gar nicht glauben, dass es nach so vielen Tausenden von Jahren, in denen die Menschheit sich veredelt hat, noch immer Verbrecher geben soll, hat sich aber beide Hosensäcke mit Brotkrumen vollgestopft, für den Fall, dass ihn eine böse Wirklichkeit überrascht.

(Anastasia kommt zurück)

Anastasia: Ich lass mir das nicht gefallen, dass man mich herausschmeißt.

Jaqueline: Und jetzt auch noch das!

Onassis: Gnädige Frau! Wir wünschen uns keine Wirklichkeit mit bösen Wahrheiten!

Anastasia: Ich warne jeden, der mir zu nahe kommt. Ich kratz ihm die Augen aus. Eine klassische Furie ist ein Nichts gegen mich.

Ai Ai: Aber gnädige Frau. Niemand tut Ihnen doch etwas zu Leid! Kommen Sie! Seien Sie uns willkommen!

Anastasia: Lügner!

Ai Ai: Ich spräche nicht die Wahrheit, wenn ich sagte, dass ich lüge. Nun? Was sagen Sie dazu? Kann ich also ein Lügner sein?

Anastasia: Ihr alle seid Lügner und Verbrecher und Teufelsbraten und Hurenkinder. Von dem Rabenaas dort ganz zu schweigen.

Ai Ai: Kommen Sie doch, gnädige Frau! Lassen Sie sich von einem Chinesen besänftigen, der nicht nur Schlitzaugen hat, sondern der auch ein Schlitzohr ist! Nichts wird so heiß gegessen wie gekocht. Und bringt dir einer eine Kuh, so lauf schnell mit dem Strick dazu.

Anastasia: Soll das auf meinen Ex und seine Neue abzielen?

Ai Ai: Nehmen Sie es, wie Sie es brauchen! Und glauben Sie mir: das Geld hat schon mancher Kaiserkrone und Königsmacht den Garaus gebracht, es wird auch die Weiberdemokratien hier besiegen! Aber heute ist das alles nur noch halb so schlimm. Heute heißt es: erlaubt ist, was dir nützt. Und damit möglichst alle einen Nutzen haben, so gründe man, wenn es mit Mann und Familie nicht mehr recht weiter will, ein so genanntes Patchwork. So machen es inzwischen die allernobelsten und einflussreichsten Familienclans in Deutschland. Das hörte ich, als wir am Denkmal Grabbatschs des Großen standen und den großen Kurfürsten sahen und den großen Fritz und alle die anderen Größen, wie sie auf ihn schauten und staunten. Und als wir dann den Großen des Landes zuhörten, wie sie für die morgige Enthüllung ihre Rollen erprobten, da staunten dann auch wir. Doch kommen Sie! Kommen Sie alle mit, meine Damen und Herren, damit ich Ihnen ausführlich erzähle, was ich da alles gehört und an Köstlichkeiten erlebt habe, als ich mit Väterchen Stalin unterwegs war nach Holland! Meine Maschine fliegt ja erst in einer Stunde.