1. Lieder, wie sie noch keiner gesungen
2. Ich schreibe nicht, um jemand zu gefallen
3. Auch wenn du nimmer wirst die Zeilen lesen
6. Mit deinen Liedern hast du mich gefangen
7. Du liebtest mich trotz aller meiner Schwächen
8. Das Glück der Liebe, wer kann es ermessen?
9. Lang merkt ich nichts von deiner Not
10. Erstaunt vernehm in mir ich ein Erklingen
11. Ich lebte einst im trautesten Verein fern aller Welt
16. Kennt ihr mich nicht mehr?
18. Vollkommenheit ist niemals zu erreichen
22. Wenn aus den Tiefen plötzlich es schreit auf
23. Ihr Frauen, Göttinnen im Glanz des Lichts
24. Lockt´ ich die Liebste an als wär ich fromm
25. Wollt ich noch einmal mit dir Hochzeit feiern
26. Den Schmutz hab ich erkannt, der auf mir lastet´
27. Könnt ich als deiner Liebe Ritter nachfolgen dir ins Unheiltal
29. Die ihr euch anvertraut in heiliger Liebe
30. Was ist der Mensch, dass seiner du gedenkst
31. Wie viele Male hab ich unterdrückt die Ahnungen
33. Die Initialen, eng zusammengeschrieben
34. Obgleich ich fern auch steh
35. Wenn du nur stark und mutig bleibst ...
38. Wie müht´ ich mich, die Liebste noch zu finden
39. Das Leben ist nur ein Spiel
40. Es ist kein Gott, wenn so die Glocken schallten
42. Auch mir gab Gott zu sagen, was ich leide
43. In der Jugend haben wir viel gesungen
Alle in den Büchern Sonette der Liebe I bis III versammelten Sonette haben etwas mit meiner Liebsten zu tun. Die Sonette in Buch I sind um 1976 herum entstanden, wir waren damals 32 Jahre alt, als die schreckliche Diagnose einer todbringenden Krankheit aktenkundig wurde und als wir die ersten bösen Erfahrungen zu machen hatten; die folgenden von Buch II, als Ende August 2012 dieses Leiden sein noch schrecklicheres Ende fand. Diese Sonette sind ab September 2012 bis Juli 2013 entstanden, mir eine Gegenwart suchend, wo es schon keine Gegenwart für mich mehr gab. Die Sonette hier, von 2020, sind schließlich damit befasst, Bilanz zu ziehen. Alle Sonette aber gehören in den Umkreis des Romans einer großen Liebe. Und wenn es nicht zu unbescheiden ist, so füge ich hinzu, dass sie auch als eine Fortsetzung des Hohen Liedes gelesen werden können. Ebenso gut aber lässt sich auch sagen, dass ich sehr dankbar bin, geliebt zu haben und geliebt worden zu sein.
Lieder, wie sie noch keiner gesungen,
würd ich Liebste dir gern noch weihn,
von deiner Liebe noch einmal durchdrungen,
eh mich der Tod ins Schweigen hüllt ein.
Eh mir der Tod den Mund wird verschließen,
der ich so lange um dich geklagt,
und die Augen, die überfließen,
wenn ich bedenk, wie sehr ich versagt.
Nichts gibt hier es mehr zu verrichten,
dieses Land ist längst nicht mehr mein,
dir nur gilt noch mein Trachten und Dichten,
dir ganz nahe wieder zu sein.
Dir zu klagen die Leiden der Liebe,
und dass ich gerne dein Liebster bliebe.
Ich schreibe nicht, um jemand zu gefallen,
um was zu schreiben, was Applaus beschert,
ich schreibe, um die Liebe zu erlallen,
die nie noch ausgesagt, nie noch gehört.
Ich schreibe nicht, als ob ich groß mich dünkte,
ich brauche niemand, der mich selig spricht,
brauch kein Genie, das mir von Ferne winkte,
selbst eine Leserschar brauche ich nicht.
Ich schreibe, um im Stillen frei zu schreiben,
was alles in der Liebe kann geschehen,
seit Mann und Frau als Paar zusammenbleiben
und seit enttäuscht sie auseinander gehen.
Ich schreibe von der Liebsten, die ich hatte,
und dass ich nicht verdient zu sein ihr Gatte.
Auch wenn du nimmer wirst die Zeilen lesen,
die ich dir schreibe, Liebste, jetzt zur Stund,
weil ferngerückt dein allerliebstes Wesen,
dem sinnenhaft ich nicht mehr werde kund,
So bist du doch ein Teil von mir geworden,
wie ich von dir. Nutz ich also die Frist,
erinnere ich mich, dass du zu allen Orten
und allen Zeiten mir zugegen bist.
Du wohnst in mir, du nur erfüllst mein Heute,
in meines Herzens Schrein da lebst nur du,
was dich betrüben könnt, was dich erfreute,
bei allem, was ich tu, siehst du mir zu!
Gingst du verloren, ging auch ich verloren.
In dir wünsch täglich ich mich neugeboren.
Ich liebe dich, seitdem ich dich im Ringen
um Gottes Lieb geahnt und seine Macht,
dass es durch seine Lieb dir möchte gelingen,
dich zu erheben aus des Zweifels Nacht.
Ich liebe dich, weil ich dich durft begleiten,
mit dir zur Seite durch des Lebens Zeit,
wo in der Liebe sich das Herz konnt weiten
zum Lobpreis seiner künftigen Herrlichkeit.
Ich liebe dich, weil ich in dir gefunden
den Weg zum Selbst, des Lebens höchstes Glück,
wo wir in Lieb zusammen fest verbunden
zum Quell der Gotteslieb kehrten zurück.
Ich liebe dich, bis hell aufblüht die Nacht
und über uns die Liebe neu erwacht.
"Einfach bei dir sein! Diese Sehnsucht schweigt
nie, wo die Hände, sanft berührt, gefasst,
zu sich herangeholt den süßen Gast,
geheimnisvoll, dem Leben zugeneigt!"
So schriebst du, Liebste, einst, als wir uns fanden,
in neuem Leben fest uns zu verbinden,
als wir der Liebe tausend Namen nannten,
um über alle Zeit ihr Reich zu gründen.
Nun, da du lange schon mir bist entrissen,
denk wieder ich, was du zu mir gesprochen,
so fern von dir, ratlos, im Ungewissen,
als hätt ich das gegebene Wort gebrochen.
Die Sehnsucht, Liebste, die mich dir verbunden,
sie überdauert alle Zeit und alle Stunden.
"Mit deinen Liedern hast du mich gefangen,
Schlimmer, und ich, ich ging dir da ins Netz!"
So sprachst du, Liebste, stilltest mein Verlangen,
und ich ward Mann nach der Natur Gesetz.
Und würd ja, Liebste, wieder um dich freien
mit List und Liedern, wie einst Gott sie schuf,
und tausendmal müsstst wieder du verzeihen,
denn auch Verzeihen wär ja dein Beruf.
Doch als der Feind uns wollte niederzwingen,
war´s da nicht ich, der frei den Weg uns schlug,
und der nur mehr für dich noch wollte singen,
die er auf seinem Rücken bei sich trug?
O könnten wir die Spielchen wieder spielen!
Ich säh schon zu, dass sie auch Gott gefielen!
Du liebtest mich trotz aller meiner Schwächen
im Zauberwald der Welt, wo wir gegangen,
nachdem gelungen mir, mit dir zu sprechen,
und unbeirrt wir mit uns angefangen.
Wären Weltwunder mir auch viel entsprungen
zu deinem Lob, was hätt ich da erreicht?
So aber ist dir Lieb ins Herz gedrungen,
wie sie dem Stammeln eines Kindes gleicht.
Ja wahrlich viel hätt mir da noch gefehlt,
wär fehlerfrei ich neben dir gewesen.
Der Fehler Schmutz, der mich so oft gequält,
du küsstest schmeichelnd ihn hinweg von meinem Wesen.
Und hättst mich auch geliebt, selbst wenn die Welt
mich zu der Schar der Toren hätt gezählt.
Das Glück der Liebe, wer kann es ermessen?
Was du erlebt hast nur macht dich erfahren,
was sich dir einprägt fern allem Vergessen,
wo es erinnerungstief sich will verwahren.
Ich hatte Glück! Durfte die Liebste schauen
im Glück der Liebe, wo ich konnt gedeihen
durch Wald und Feld, auf frühlingsbunten Auen,
doch auch in dunkler Nacht und Winters Schneien.
Zu groß nicht, dass uns alle Welt musst loben,
auch nicht zu klein, um bloß ein Nichts zu sein,
hatt uns das Glück an seine Brust gehoben
fürsorglich, mütterlich, uns stets zu zwein.
Nenns Zufall, nenn es Fügung, die gewaltet,
dass uns die Lieb nach ihrem Bild gestaltet.
Lang merkt ich nichts von deiner Not,
im Gegenteil, ich ließ dich gern gewähren,
war es doch unsrer Liebe Trank und Brot,
die uns auf unserem Weg sollten ernähren.
Da saßen wir beim Mahle dicht beisammen,
tranken vom Wein, den uns dein Lächeln bot,
und aßen über ginsterhellen Flammen
der Wüste frischgebackenes Himmelsbrot.
Doch als kein Unterhalt mehr ward gewonnen,
da gingen plötzlich mir die Augen auf:
Fort war das Brot, fort war des Lebens Bronnen,
und gegen dich nahm das Geschick den Lauf.
Für mich hattst du verzehrt dich und vernichtet
und ich, Hans Träumer, hatte süß für dich gedichtet.
Erstaunt vernehm in mir ich ein Erklingen
und Tränen drängen plötzlich aus den Augen:
Ein Klaglied ist´s, das will nach draußen dringen,
und kein Beherrschen kann mehr etwas taugen.
Die Leiden, Liebste, sind´s, die du erlitten,
als du im Licht bei uns nicht mehr durftst bleiben;
und dass ich fern von dir noch weil inmitten
einer mir fremd gewordenen Welt und ihrem Treiben.
Dann hadre ich mit Gott, der nicht will enden
sinnlos gewordener Tage Pilgerschaft,
und fordre ihn auf, den Boten mir zu senden,
der aus der Welt hinaus zu dir mich schafft:
Dass, ob auch Tränen noch das Aug bedachen,
bei deinem Anblick wieder ich kann lachen.
Ich lebte einst im trautesten Verein
fern aller Welt in einem kleinen Tal
mit meiner Liebsten; nie war ich allein,
auch nicht in ihrer Krankheit schwersten Qual.
Doch als ich eines Nachts sie gehen ließ -
Verflucht die Tat! - und ich, ich blieb zurück,
in jener Nacht mich auch mein Glück verstieß,
mein krankes zwar, und doch mein einzig Glück.
Seitdem nun dringen Schergen bei mir ein,
wie einst, als Judas seinen Herrn verriet;
den Toten gleich leb ich seitdem allein,
fern aller Welt, weiß nimmer, was geschieht.
Lacht, wenn mich bald des Todes Los erfasst!
Der Liebsten nach eil ich, ein müder Gast.
Sagt bitte unentwegt und immer wieder,
Mütterchens Schätzchen, dass nur ich es bin,
dass nicht versiegt der Quell tröstender Lieder,
der wunderbar zur Liebsten mich zieht hin.
Erwählt war einst ich, möchte ich gerne glauben;
doch jetzt, was ist es, das mich noch erwählt?
Hör Glocken ich, hör Botschaft ich den Tauben,
als wär die Welt dem Totengeist vermählt.
Was könnte auch die Welt mir noch darbieten,
dem nichts mehr Wünschenden, den nichts mehr hält?
So seien wir in Frieden denn geschieden,
der müde Wanderer vom Gang der Welt.
Kommt her und seht nur, ihr Dämonenhaufen:
Wund ist der Fuß, die Sohlen abgelaufen!
Ein kleines Rinnsal pflegt schnell zu versiegen,
ein kleiner Schmerz, wie schnell ist er vorbei;
ein Kindlein nur flieht, um nicht zu erliegen,
umtost von Hilferuf und Angstgeschrei.
Des Blutes Fluten aber werden breiter,
am Fels der Schmerzen brandet an die Zeit.
Einst zog das Jahr zusammen mit uns weiter,
jetzt tieft es nur mehr noch der Trennung Leid.
O dass der Treidler Tod dich fortgetrieben,
und ich sah zu und setzt mich nicht zur Wehr,
und bin nun da, allein, zurückgeblieben,
wo deiner Blicke Achtung ich entbehr.
Wär ich mit dir ertrunken tief im Blut,
wir schwämmen jetzt gemeinsam in der Flut.
Nacht wars im Elternhaus, da lagen wir
gemeinsam ausgestreckt auf unserem Bette,
da hört ich draußen was, ich eilt zur Tür,
bis ich die Einbrecher vertrieben hätte.
Drauf ging zurück ich in die dunkle Kammer
und legte abermals sorgsam mich nieder
und zog an mich, umdrängt von Not und Jammer
der Liebsten Haupt und ihre steifen Glieder.
Wohl hoffend, dass sie friedlich ein mir schliefe;
doch plötzlich drangen Schritte übern Stein
ins Haus herein, als obs den Gang durchliefe
und nach uns suchte. Angst drang in mich ein.
Was weiter dann geschah, ich weiß es nicht,
nur dass seitdem mir fehlt mein Heil, mein Licht.
Sie liebten sich. Unendlich sich zu lieben,
wiegten sie schon ins Jenseits sich hinein.
Der Liebe hatten sie sich fest verschrieben,
für immer füreinander da zu sein.
Da kam der Tod, der ihm die Liebste raubte,
und plötzlich stand er nur mehr noch allein;
doch da er an ein Weiterleben glaubte,
glaubt´ mächtiger er noch als der Tod zu sein.
Ein Wort der Liebsten, so ward es beschlossen,
als sie noch lebte, sollte ihm ergehn,
dass er, ob auch von Finsternis umflossen,
ins Reich des ewigen Lebens könnte spähn.
Doch ob auch nachts er um ein Zeichen flehte,
nur kalt des Weltalls Schweigen ihn umwehte.
Kennt ihr mich nicht mehr? O ich weiß es nicht;
ich weiß nur, dass ich selbst mich kaum mehr kenne,
und schäme mich, wenn ich den Namen nenne
der Liebsten in des Todes Angesicht.
Ein Wunder unerhört müsste geschehen:
Ins Zimmer nachts die Liebste müsste treten,
sodann wie früher zwanglos mit mir reden
und mich den Himmel offen lassen sehen.
Doch morgens beim Erwachen, wenn ich sinne,
was mir für Botschaft hat die Nacht beschert,
find meist ich nur, was mir das Herz beschwert,
kaum dass aus einem Traum ich Trost gewinne.
Fest halt die Liebste ich nur noch im Hoffen
und nur das Tor zum Nichts steht mir noch offen.
Vollkommene Schönheit, wo magst du sie finden,
in Griechenland, Mykene, in der Parmenie,
auf Gottfrieds Irland oder unter deutschen Linden,
wo Walther einstmals fand die holde Sie?
Lasst mich nur hier. Ich muss nicht mehr verreisen;
die unvergleichlich Schöne fand ich hier
am Fuß der Berge, den sie Schwarzwald heißen,
wo sich die Dreisam drängt durchs Talrevier.
Hier hab die blaue Blume ich gefunden,
hier hab ich sie ganz fest ans Herz gedrückt,
hier im Geheimnis mich mit ihr verbunden,
das einst im Himmel uns auch noch beglückt.
Hier fand die Schönheit ich von solcher Art,
die selbst noch durch den Tod ihr Licht bewahrt.
Vollkommenheit ist niemals zu erreichen,
mag das Gesetz uns auch die Freiheit geben,
die wir benötigen in diesem Leben:
es schafft nichts ewig schön und ohnegleichen.
Und ist doch da, dass wir uns Mühe geben,
des Geistes Flügel aus dem Stein zu schlagen,
ist uns bestimmt auch, elend zu versagen,
weil nirgends uns gelingt ein neues Leben.
Das Höchste scheint uns wie der Gang der Sterne
in Augenblicken göttlich schön vorhanden,
jetzt in der Liebsten beinahe verstanden,
dann wieder unerreichbar fern, in weiter Ferne.
Nichts bleibt uns, als zu harren in Geduld,
bis dass nach Haus uns bringt des Gottes Huld.
Wer bin ich noch, der ich zu sein vermeine
glaubwürdig, unerschütterlich und gut,
auch wenn ich gern vor mir noch so erscheine,
als ruht´ noch immer ich in Liebchens Hut.
Sei nur du selbst! So hört´ ich einst die Liebe,
die in der Liebsten ich für mich gewann,
und mühte mich, dass in der Lieb´ ich bliebe,
damals als neu das Leben mir begann.
Ja, dass ich wüchs´, ein Jüngling, fest empor,
nicht für die Welt, nicht vor der Welt, nicht so.
Doch wo steht auf mir noch der Liebe Tor,
worum ich kämpfte, unablässig froh?
Sind wir nur Narren eines schönen Scheins,
und nirgends wär Bestand und eins wär keins?
Fürchte dich nicht, so steht es schon geschrieben
bei den Propheten, du wirst nicht zuschanden.
Der Jugendzeit Gemahl sollst wieder lieben,
befreit aus Witwenschaft und Todesbanden.
Verlassen, herzbetrübt schrei nun auch ich,
da aus der Jugendzeit mir hat genommen
mein Trautgesell der Tod, dass über mich
viel Tränenflut und Trauer sind gekommen.
Man sagt: Sieh dich doch um! Ersatz ist da!
Lust gibt´s und Lieb genug bei anderen Frauen!
Doch käm mir Lust von fremden Frauen nah,
so fehlte doch der Jugendlieb Vertrauen.
Doch will ich keines Weibes Reize schmähen,
lässt mich die Liebste nur die Liebe sehen.
Wie denn begrüß ich noch den frühen Morgen,
wenn ich der Liebsten Lager finde leer?
Wie wehr ich ab die Last drückender Sorgen,
wenn mich umschlingt die Macht des Nimmermehr?
Einst sah die Liebe ich wie einen Turm
Stolz auferbaut, zu trotzen aller Zeit,
ein Meerstern über Wellengang und Sturm,
zum Ufer lotsend der Unsterblichkeit.
An Liebchens Brust lag ich auf sicherer Schau,
wann immer ihrs gefiel; jetzt ist mir fast,
als ob das Antlitz meiner lieben Frau
im Sturm der Zeit zerblättert und verblasst.
Und dass nichts bleibt, von dem, was uns erblüht,
worum wir allzeit hoffend uns bemüht.
Wenn aus den Tiefen plötzlich es schreit auf,
als ob im Wahnsinnsschmerz viel Stimmen riefen,
und gegen dich und aus dir selbst den Lauf
das Unheil nimmt, durchtosend deine Tiefen,
Wenn alles sich verschwört, dein Feind zu sein,
auch was am Herz dir lag, was du gehütet,
wenn selbst dein Selbst sich mit dem Feind lässt ein
und gegen dich, den Atem schnürend, wütet,
trittst Rachel du, geschmäht noch und missachtet,
trittst Rachel du, einst Mutter dir und Braut,
von Schleiern trauerschwer umwölkt, umnachtet,
der Stele gleich, die schon dein Grab beschaut,
trittst du hinzu, mitten im kalten Winter,
und weinst ohn´ Unterlass um deine Kinder.
Ihr Frauen, Göttinnen im Glanz des Lichts,
das Tag´ und Nächte wundersam erhellt,
ihr Tänzerinnen zwischen Sein und Nichts,
uns zur Erprobung und Bewährung zugesellt!
Die ihr das Loblied singt dem großen Mann,
den Paian selbst auf menschenleerem Strand,
zu welchem kühnen Werk spornt ihr uns an,
zu welchem Sieg leiht ihr uns eure Hand?
Was regt ihr in uns auf für Gründe
und was für Aussichten stellt ihr bereit?
Ist es die Heiligkeit, ist es der Wollust Sünde?
Vor mir liegt das Gelände endlos weit.
Das Heilige scheint wie ein Weg zur Sünde
und Wollust wie ein Weg zur Heiligkeit.
Lockt´ ich die Liebste an als wär ich fromm,
und war in Wahrheit nur ein böses Tier,
ein Räuberbräutigam, dann wehe mir,
wenn so enttarnt, entblößt nach Haus ich komm.
Wer bin ich? Weiß ich´s denn, muss ich´s denn wissen?
Wer ist es, der mir richtet meinen Blick?
Betrübt wär, ja verspielt des Lebens Glück,
wenn wie ein Judas ich nur noch könnt´ küssen.
O Heuchlerstück, o Richtertrick, Verrat
aus Habsucht, Machtgier, Neid und Niedertracht,
die uns der Hass einst in die Welt gebracht
in rücksichtslos, wollüstig blinder Tat.
Bin ich ein Hamlet, der aus ihrer Not
die Welt erretten wollte und schlug alle tot?
Wollt ich noch einmal mit dir Hochzeit feiern
mit Schleier, Kranz und jungfräulichem Glanz,
genügte nicht, den Festtag zu erneuern
im Jahreskreis mit Schmaus und Hochzeitstanz.
Den Segen müssten wieder wir gewinnen,
wie einst ihn sprach der Herr im Paradies
am Schöpfungstag, als er im Schlaf tief drinnen
dem Menschenpaar die Paarung überließ.
Doch ob der Geist auch strebt nach jenem Leben,
wenn Lust erwacht, sucht sie den Augenblick,
im Drang der Wollust machtvoll sich zu heben,
und Reizung, roh alsbald, versucht ihr Glück.
Wollust zerrt hin zu ewiger Steigerung
und zehrt uns auf. Der Geist nur hält uns jung.
Den Schmutz hab ich erkannt, der auf mir lastet´,
und wehrt ihm nicht, ja wehrt ihm durchaus nicht,
statt dass die Seele hätt gebüßt, gefastet
vor Gottes Reinheit forderndem Gesicht.
Zwei Seelen trag auch ich in meiner Brust,
ich hehl es nicht. Mag jedermann es wissen,
dass still gehegt auch ich die dunkle Lust,
die haltlos treibt den Mann zum Mann-sein-müssen.
Wenn ich auch fremd nicht ging auf Freiers Füßen,
war brünstig ich doch manche Nacht erwacht,
bis in der Stunden Gang, die Lust zu büßen,
der heiße Drang unhaltbar war entfacht.
Mag mir der Himmelpförtner die Leviten lesen,
eh ich zu ihr kehr, die die Liebste mir gewesen!
Könnt ich als deiner Liebe Ritter
nachfolgen dir ins Unheiltal,
und wärs auf einer Karre, schmachvoll bitter,
was kümmert´ mich der Prüfung Müh und Qual!
Ins Tal ohn Wiederkehr wollt ich mich wagen,
was immer nur ein Ritter wagen kann,
an deinem Herz der Liebe Schmerz zu klagen,
geläutert, treu verlässlich als dein Mann!
Und wenn ich Leitern zu besteigen hätte,
geschmückt mit Leid und Todesrosen rot,
ich stieg zu dir auch in verwunschenes Bette,
bei dir zu sterben einen süßen Tod.
Umschlungen fest im letzten Abendrot
stürb ich mit dir der Liebe süßen Tod.
Das sind nur Weiberlein, sind keine Frauen,
mit dir im Flug ein Höheres zu entdecken!
Das sind nur Weiberlein, süß anzuschauen,
um das erregte Ding in sie zu stecken.
Und wären es auch prächtige Hetären,
gebildet, elegant, Zirkel der Macht,
wärs eine Lesbia auch, wie könntst du sie verehren,
es sei als Sklave denn für eine Nacht?
Ja auch Isolde selbst mit weißen Händen,
die schuldlos ahnungslos dein Herz begehrt,
vermag doch nicht den Kummer dir zu wenden,
da sie ja nicht die Liebe dich gelehrt.
Glück auf dem Mann, dem niemand kann verwehren,
am Abend bei der Liebsten einzukehren!
Die ihr euch anvertraut in heiliger Liebe
und eures Treueschwurs euch sicher glaubt,
gebt Acht, dass ihr euch nicht im Weltgetriebe
des süßen Glücks beständiger Lieb´ beraubt!
Denn Neues, Unbekanntes lockt uns alle,
zumal wenn es noch kunstvoll ausgeschmückt,
macht uns verrückt und treibt uns in die Falle,
aus der nur selten oft ein Ausweg glückt.
Hast dann genossen du vom neuen Glück
und sind Vernunft und Urteil wieder dein,
erkennst du, schaust auf dich du dann zurück,
wie elend du geworden und gemein.
Ist erst des ersten Bundes Glück vertan,
fängt dir kein neuer Bund von vorne an.
Was ist der Mensch, dass seiner du gedenkst,
dass du mit Flügeln des Seraphs ihn deckst,
in Weisheit unterweist, in Wahrheit lenkst,
ihm deine Treue schenkst, dein Heil in ihm erweckst.
Im Rausch und Wahn und ständigen Bestreben,
erster zu sein, wenn deine Stimme spricht,
hört er nicht mehr, um Weisung ihm zu geben.
Vergessen ist der Völker Weltgericht.
Als Antwort, in Verantwortung und Rechenschaft,
so hast den Menschen einstmals du erschaffen
und warst ihm nah in deiner Gotteskraft.
Jetzt sind des Himmels Kräfte im Erschlaffen.
Keiner glaubt mehr, dass du wahrhaftig bist,
keiner mehr deines Heils gewärtig ist.
Wie viele Male hab ich unterdrückt
die Ahnungen, dass nichts wird weiter sein
als dass wir sterben, einsam und allein,
und nimmer uns ein Wiedersehn beglückt!
Gewiss, wer nichts an Wert hat zu verlieren,
dem ist es einerlei, was noch geschieht,
wenn er im Grab nichts hört mehr und nichts sieht,
genügt das Nichts, um nichts mehr zu verspüren.
Uns aber, die fest auf die Liebe bauen,
- der Armen Schar das allerhöchste Gut -,
wie weh uns doch des Nichts Versuchung tut,
die in uns sät Unglauben und Misstrauen.
O böse Ahnungen, die niemals wären,
würd keiner nur der Liebe Licht entbehren.
Groß ist die Liebe, heilig schön vor allem,
wenn sie es ist, die uns zusammenführt
als Liebende, sich selber zum Gefallen,
und keines Fleisches Lust die Andacht stört.
Ein Spiel von Kindern möchte ich sie nennen,
ein Kinderspiel, ein kindlich Spiel fürwahr,
wenn Menschenherzen zwei bebend entbrennen
als eine Flamme auf dem Traualtar.
Doch weh dem Lehrer, der leichtfertig spielt,
der seine Kinder drängt auszuprobieren,
was eng vereint ein jedes dabei fühlt;
des Fleisches Lust nur wird er dabei schüren.
(Der Teufel mag ihn dafür massakrieren!)
Begehrens Stürme wird´s dann viel noch geben,
doch nicht den Ruf zu zweit zum ewigen Leben.
Die Initialen, eng zusammengeschrieben,
erscheinen mir wie Fenster von Kapellen,
wenn ich nur lang genug stehen geblieben
und sie von innen her sich mir erhellen.
Ein Licht im Innern flackernd scheint zu strahlen
um unserer Namen Paar, ein fremdes Licht,
um unseren Bund von Grund auf neu zu malen
vor Gottes unverhülltem Angesicht,
Zumal am Abend, wenn der Tag muss weichen
und Dunkelheit die Herrschaft übernimmt,
wenn widersprüchlich werden Zahl und Zeichen
und niedersinkt, was einst zum Sein bestimmt,
Um Mitternacht, wenn hell aufblüht die Nacht
und Lieb, um Liebe werbend, neu entfacht.
Obgleich ich fern auch steh, seh ich doch immer,
wo ich auch weilen mag bei Tag und Nacht,
dein Antlitz reich in heller Liebe Schimmer,
ob auch den Leib die Erde schon bedacht.
Kein Berg, kein Baum, kein Bach muss mir beschreiben,
was deine Gegenwart aus mir gemacht;
kein Morgenrot mich fort ins Freie treiben,
auf dass Erinnerung neu wieder erwacht
Die Augen muss ich nur ein Weilchen schließen,
dann dringt dein holdes Bild zu mir herauf,
der Jugend Bildnis, das ich durft genießen
und das zur Liebe schloss die Augen auf.
Am größten ist die Lieb, ich wills gern glauben,
der keine Zeit dein holdes Bild kann rauben.
Sie sprach: "Wenn du nur stark und mutig bleibst,
derweil wir miteinander Wirtschaft spielen,
wenn ab und zu du mir ein Liedchen schreibst,
wie könnt ich da bei dir Bedrängnis fühlen?
Lassen die Welt wir gehen, wie sie geht,
seit sich der Mensch sie für sich umgeschaffen,
wo alles sich nur um sich selber dreht
in eitlem Ruhm- und Macht- und Geld-Erraffen.
Du schreibst und singst mir vor, dann wieder plaudern
zusammen wir und schaun ein wenig aus,
und lassen still gefasst und ohne Zaudern,
was uns geschickt ist, ein in unser Haus."
Und war bereits von schwerem Leid geplagt,
der Todestag war schon vorhergesagt.
Mitunter saßen lange wir beisammen,
in dunklen Tagen wars und Winters Nacht,
und unterhielten uns bei Feuers Flammen,
wie bestens wär das Leben zugebracht.
Und hörten neben uns die Wasser rauschen
hin durch der Berge dunkle Einsamkeit;
und sahen, während süßer Küsse Tauschen,
uns furchtlos auf der Sandbank dieser Zeit.
Fest schritten wir sodann auf schmalem Pfade
den Berg hinauf, der zum Nichtwissen führt,
den Sokrates schon schritt, als, ohne Gnade
zum Tod verurteilt, er ihm aufgespürt.
Und spähten um uns nach dem neuen Tag,
der Gutes bringend Gutes viel vermag.
Es kam zum Schluss, als künstlich ich ernährte
Liebchen mit Wasser nur noch; ich sah zu,
sah, wie sie Ausschau hielt, klaglos, ohne Beschwerde
nach mir, der ratlos nur sich sehnt´ nach Ruh.
Beraubt des Worts, in Todesnot, verlassen
sah Liebchen ich, kein Gott aus Himmelshöhn
sah tröstend mehr auf sie, wenn sie nun würd´ erblassen,
und ich auch selbst ließ feig alles geschehn.
Doch eh der Augen beide sich verklebten,
und sie ins Koma fiel, der Leiden Nacht begann,
ein letzter Blick von ihr noch einmal mich durchbebte,
ein letzter Blick von ihr einmal noch sprach mich an:
Gut ist, sprach sie, was auch geschehen mag,
Liebster, such dort den Auferstehungstag!
Wie müht´ ich mich, die Liebste noch zu finden,
als schon der Tod sie barg in tiefer Flut,
dem Taucher gleich sie fest an mich zu binden
und dann an Land zu bringen voller Mut.
Doch schafft´ ich´s nicht, nutzlos war mein Bestreben,
Begehren groß, verschwindend der Ertrag,
vergebens war´s, sie aus dem Tod zu heben,
dass ich fast der Entsagung schon erlag.
Erst als ich nochmals mich dem Blick zuwandte,
der Liebsten letztem Blick, wie ich ihn hab,
den rechten Weg ich endlich noch erkannte,
der uns ins Paradies führt aus dem Grab:
Dies aber ist´s, das ich noch teilen muss
mit ihr im Tod den Auferstehungskuss.
Das Leben, heißt´s im Lied, ist nur ein Spiel
und dass, wer recht es spielt, ans Ziel gelangt;
mir aber sind der Stunden nicht mehr viel,
wo um das Ziel die arme Seele bangt.
Einst war´s, an einem Frühlingsnachmittag,
als strahlend du in einem weißen Kleid
zu unsrem Fest, dass ich´s nur sagen mag,
für mich verwandeltest den Gang der Zeit.
Nun aber, da ich aus dem Traum erwacht
schon lange ferne weil, getrennt von dir,
von deiner Gegenwart nicht mehr bedacht,
hör aus dem Abgrund ich feindlich Getier.
Nun Seele gilt´s! Den Leib benutz als Steg
über den Abgrund! Mach dich auf den Weg!
Es ist kein Gott, wenn so die Glocken schallten,
es ist kein Gott, keine Unsterblichkeit,
wenn so das All sie pausenlos durchhallten,
die Pest verbreitend der Verderblichkeit,
Wenn so auch mich beträf´ der Glocken Schwung,
Abgründe ziehn ja überall sich hin,
und keine Möglichkeit sich böt´ zum Sprung,
dass fern der Klamm ich könnte weiter fliehn,
Ja, wenn die Liebe endlich selbst als Lüge
entlarvt, entehrt, entstellt mir nur verblieb
und nimmer ich die wohl vertrauten Züge
erkennen könnte, die mir einst so lieb:
Nähm´ ich die Liebe hin als kranke Lüge,
die schützend fest ich tief ins Herz mir trüge.
Seit unsrer Jugend haben wir geliebt
in uns die Hoffnung auf Unsterblichkeit,
damals als noch kein Leid den Tag getrübt,
als jeder Tag noch wie ein Leben weit.
Heut, wo allein ich bin, für mich allein,
gescheitert, da die Liebste mir doch fehlt,
die aus dem Tod ich nicht mehr konnt´ befrein,
und mich die Ohnmacht des Misslingens quält:
Soll sagen ich, dass alles Lebens Frist
nur da ist, dass man Gene sich erwirbt
und dass Unsterblichkeit ein Irrtum ist,
ein Jugendspleen, den uns die Zeit verdirbt?
Empor mein Herz, dass es uns mag gelingen,
dass wir der Liebe Lob noch einmal singen!
et ne nos inducas in temptationem
Auch mir gab Gott zu sagen, was ich leide,
als nieder mich gedrückt des Schicksals Schlag;
und so schrieb ich mir Trost und Herzensfreude
mit jedem Lied an jedem neuen Tag.
Und war ein Lied vorzüglich gut geschrieben
und wunderbar vom Leiden ich befreit:
Sag an, mein Herz, was ist davon geblieben,
hast du dich nicht dem Trug der Kunst geweiht?
Ja schämen muss ich mich, wenn mir gelungen,
blick ich zurück nach all der Leidenszeit,
dass eitles Lob mir tief das Herz durchdrungen,
als hätt mich Dichtung aus dem Tod befreit!
Mag mir der Gott der Liebe denn verzeihen
und mit der Liebsten wahrhaft mich befreien!
In der Jugend haben wir viel gesungen
vom Himmel, dem wir in Liebe vertraut,
und vom Quell des Lebens, der uns durchdrungen,
als Bräutigam stolz und als liebende Braut.
Beim Weltenbaum dann haben wir uns verschworen
in Liebe und Treu bis zum jüngsten Tag,
bis dass uns, vom Himmel wiedergeboren,
kein tödlich Geschick mehr zu treffen vermag.
Wir haben gekämpft und wir haben gestritten
und wir haben verkostet die Freuden der Zeit,
und haben auch manches Leid erlitten,
das vom Stolz und Elend des Hochmuts befreit.
Nach der Liebsten Vorbild ganz ohne Klagen
versuch nun auch ich, was noch kommt, zu ertragen.